Dos and Don´ts einer nachhaltigen Unternehmensführung
1. Was ist der Kern der nachhaltigen Unternehmensführung?
Mit einer steigenden Sichtbarkeit der Auswirkungen einer globale Umweltkrise sowie häufigen Berichten über gesellschaftlichen Ungleichheiten rückte das Konzept einer nachhaltigen Unternehmensführung immer stärker auf die Top-Agenda von Unternehmen und CMOs. Was ist der Kern dieser zukunftsorientierten Konzeption? Nachhaltige Unternehmensführung ist eine Strategie, bei der ein Unternehmen seine Geschäftsaktivitäten so ausgestaltet, dass es die soziale Nachhaltigkeit mit einer ökologischen Nachhaltigkeit und einer ökonomischen Nachhaltigkeit verbindet.
Es geht darum, ein Gleichgewicht zwischen diesen Bereichen zu finden – gleichsam ein Balanceakt zwischen Profit und Verantwortung. Nachhaltige Unternehmen erkennen an, dass sie eine Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft und der Umwelt haben. Sie verfolgen einen Triple-Bottom-Line-Ansatz, der gleichzeitig auf soziales Wohlergehen (People), den Schutz unseres Planeten (Planet) und die Erzielung von Gewinn (Profit) abzielt (vgl. Abb. 1).
Abb. 1: Tiple Bottom Line (Kreutzer, 2023, S. 5) © Ralf T. Kreutzer
2. Welche Dos sind für eine nachhaltige Unternehmensführung zu berücksichtigen?
Was sind die wichtigen Schritte, die Sie unbedingt befolgen sollten? Hier ist eine Liste von Dos, die jedes Unternehmen beherzigen sollte, um eine nachhaltige Führung erfolgreich umzusetzen:
- Purpose, Vision und Mission klar definieren
Ihr Unternehmen sollte einen Purpose, eine klare Vision und Mission haben, die Nachhaltigkeit in ihren Kern integriert. Die hier erfolgten Festlegungen sollten den Leitfaden für alle Geschäftsentscheidungen darstellen.
- Stakeholder umfassend einbeziehen
Sie sollten sich aktiv darum bemühen, alle relevanten Stakeholder frühzeitig in Ihre Nachhaltigkeitsbemühungen einzubeziehen. Zu diesen Stakeholdern gehören vor allem die eigenen Mitarbeiter, die Kunden, die Lieferanten und nicht zuletzt die Shareholder, die eine nachhaltige Transformation finanziell ermöglichen. Das Stakeholder-Onion-Modell liefert hierfür eine perfekte Methodik (vgl. Abb. 2; vertiefend Kreutzer, 2023, S. 314-316).
Abb. 2: Stakeholder-Onion-Modell zur Ermittlung und Betreuung der relevanten Stakeholder (Kreutzer, 2023, S. 314) © Ralf T. Kreutzer
- Nachhaltige Ziele setzen und Strategien konsequent implementieren
Setzen Sie messbare und zeitlich begrenzte Ziele für nachhaltige Projekte, um den Kurs Richtung Nachhaltigkeit konsequent zu überprüfen. Sorgen Sie dafür, dass die auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Strategien nicht unterwegs versanden. Schließlich ist bei der Implementierung an vielen Stellen mit Widerstand zu rechnen.
- Einstieg in die Kreislaufwirtschaft
Finden Sie einen Einstieg in die Kreislaufwirtschaft (vgl. Abb. 3). Das Kreislaufwirtschaftsgesetz – bzw. konkret das „Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Bewirtschaftung von Abfällen“ – definiert hier viele Anforderungen. Prüfen Sie, wo Sie in Ihrem Unternehmen die Low-hanging Fruits finden, die einfach zu „ernten“ sind. Ermitteln Sie außerdem, wo Maßnahmen – etwa beim Design, in der Produktion oder in der Logistik – die größten Effekte erwarten lassen. Starten Sie mit beiden Bereichen, um eine Nachhaltigkeits-Dynamik zu erzielen. Wichtig ist hier die Stärkung der Selbstwirksamkeit – dem Vertrauen darauf, dass Menschen und Unternehmen etwas zum Positiven verändern zu können.
Abb. 3: Konzept der Kreislaufwirtschaft – Circular Economy (Kreutzer, 2023, S. 12) © Ralf T. Kreutzer
- Einsatz von Nudging für die Verhaltenssteuerung
„Nudging“ steht für Anstoßen oder Schubsen. Es zielt darauf ab, Menschen zu einer bestimmten Verhaltensänderung zu ermutigen, ohne Zwang auszuüben oder Verbote auszusprechen. Es verwendet auch keine wirtschaftlichen Anreize, um bestimmte Verhaltensweisen zu fördern. Ein Nudge ist folglich ein sanfter Schubs oder Denkanstoß. Diese Anstöße sind wichtig, um nachhaltiges Konsum- und Kaufverhalten zu fördern, ohne auf Sanktionen zurückgreifen zu müssen. Das Ziel ist es, das Verhalten von Menschen durch die Bereitstellung weiterer Informationen in eine bestimmte Richtung zu lenken, während sie nach wie vor die Freiheit haben, nicht auf diese Anstöße zu reagieren.
- Transparenz und Rechenschaftspflicht sicherstellen
Durch die Corporate Sustainability Reporting Directive sowie Anforderungen, die sich aus den ESG-Kriterien ergeben, müssen Ihre Unternehmen vielfach heute schon weiterführende Reportingpflichten erfüllen. Die Fragestellungen zu den ESG-Kriterien verdeutlicht Abb. 4.
Abb. 4: Inhalte der ESG-Kriterien (vgl. Kreutzer, 2023, S. 69) © Ralf T. Kreutzer
- Ausbildung und Schulung der Mitarbeiter und Führungskräfte
Stellen Sie sicher, dass alle Personen in Ihrem Unternehmen die Bedeutung der Nachhaltigkeit verstehen und geschult sind, um nachhaltige Praktiken in ihrem jeweiligen Bereich und entlang der gesamten Lieferkette umzusetzen (Stichwort: Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz). Die Umsetzung einer nachhaltigen Unternehmensführung muss mit einem Kulturwandel einhergehen. Hier sind Sie auch als Change-Manager gefragt.
- Partnerschaften und Zusammenarbeit
Suchen Sie nach Möglichkeiten zur Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen, NGOs und Regierungen, um gemeinsam größere nachhaltige Veränderungen herbeizuführen. Viele Herausforderungen können Sie nur in Kooperation mit Dritten meistern.
Diese ausgewählten Dos bilden die Eckpfeiler einer nachhaltigen Unternehmensführung und sind entscheidend für den Übergang zu nachhaltigeren Geschäftspraktiken. Es sind Schritte auf dem Weg zu einem verantwortungsbewussten und gleichzeitig resilienten Unternehmen, das im Einklang mit den Bedürfnissen unseres Planeten und seiner Bewohner arbeitet.
3. Welche Don´ts sind bei der nachhaltigen Unternehmensführung zu vermeiden?
Wie bei jeder Reise gibt es auch auf dem Weg zur nachhaltigen Unternehmensführung Fallstricke, die Sie vermeiden sollten. Diese Don'ts können nicht nur den Fortschritt eines Unternehmens, sondern auch dessen gesamte Reputation gefährden. Hier sind einige der wichtigsten Don'ts:
- Greenwashing betreiben
Der Versuch, sich als Unternehmen nachhaltiger darzustellen, als man tatsächlich ist, kann das Vertrauen der Stakeholder untergraben und langfristig mehr schaden als nutzen. Ehrlichkeit und Transparenz sind in der nachhaltigen Unternehmensführung von entscheidender Bedeutung. Der Vorschlag einer Green-Claims-Richtlinie der EU-Kommission definiert hier einen umfassenden Anforderungskatalog zu Green Claims, die Sie unbedingt beachten sollten (vgl. Gebhardt et al., 2023).
- Dominanz einer Verzichts-Kommunikation
Vermeiden Sie eine Kommunikation, die den Menschen einen umfassenden Verzicht auf etwas Liebgewonnenes abverlangen. Setzen Sie eher auf eine Lust-Kommunikation – eine Kommunikation, die Lust auf Nachhaltigkeit macht. Ein erhobener Zeigefinger hilft hier wenig. Der hat uns schon bei unseren Eltern und Lehrern nicht wirklich beeindruckt. Die Alternative ist das schon angesprochene Nudging.
- Verzicht auf Markt- und Marketing-Forschung
Ein fehlendes Investment in die Forschung kann sich bei der nachhaltigen Unternehmensführung schnell rächen. Dann stimmt die Marschrichtung Ihres Unternehmens nicht mit den Erwartungen der Stakeholder überein. Hierbei gilt: Wir hören auf unsere Kunden – aber wir glauben ihnen nicht alles. Schließlich gibt es das Attitude Behavior Gap, ein Auseinanderfallen von Worten und Taten (vgl. vertiefend Kreutzer, 2023, S. 34-42). Ein Beispiel gefällig? Die Generation Z kann bspw. Friday for Future und Einkäufe bei der Ultra-Fast-Fashion Marke SheIn problemlos miteinander vereinbaren!
- Mangelnde Ressourcenbereitstellung
Auch die nachhaltige Transformation bedarf finanzieller und personeller Ressourcen. Deren fehlende Bereitstellung kann den gesamten Prozess gefährden.
- Fehlende Verzahnung der digitalen mit der nachhaltigen Transformation
Vermeiden Sie es, in Ihren Unternehmen zwei parallel Transformationen durchzuführen. Viele Lösungen, die im Zuge der digitalen Transformation diskutiert werden, liefern eine perfekte Grundlage für die nachhaltige Transformation. Die digitale Transformation ist ein wichtiger Enabler der ökologischen Transformation. Führen Sie beide Veränderungsprozesse zusammen (vgl. vertiefend Kreutzer, 2021).
- Verzicht auf Top-Management-Support
Ohne ein Support von der obersten Unternehmensleitung werden Sie weder die digitale, noch die nachhaltige Transformation meistern. Sichern Sie sich diesen Support frühzeitig – Sie werden ihn zwingend benötigen.
Indem Sie diese Don'ts vermeiden, können Sie den Weg zur Nachhaltigkeit ebnen und gleichzeitig das Vertrauen Ihrer Stakeholder stärken.
4. Das Haus der nachhaltigen Transformation
Um die vielfältigen Herausforderungen erfolgreich zu meistern, sollten Sie sich am Haus der nachhaltigen Transformation orientieren (vgl. Abb. 5). Hier wird sichtbar, dass die Grundlage der (weiteren) Transformation eine gründliche Bestandsaufnahme darstellt. Die hier gewonnenen Informationen stellen die Basis für die Erarbeitung einer ökologisch, sozial und ökonomisch nachhaltigen Unternehmensstrategie dar. Parallel hierzu sollte am Mindset des Unternehmens gearbeitet werden. Parallel dazu gilt es, Prozesse, aber auch Produkte und Dienstleistungen auf Nachhaltigkeit auszurichten. Schließlich können neue (nachhaltige) Geschäftsfelder erschlossen oder ganz neue Geschäftsmodelle erarbeitet werden.
Abb. 5: Das Haus der nachhaltigen Transformation © Ralf T. Kreutzer
Eine spannende Reise ist garantiert – für die es keine Alternative gibt! Schließlich mögen wir einen Plan B, aber keinen Planet B haben.
Das Buch zum Thema:
Ralf T. Kreutzer
Der Weg zu nachhaltigen Unternehmensführung
Literatur
Gebhardt, J./Leiendecker, J./Lienke, G./Meier, F. (2023): Vorschlag der EU-Kommission für eine Green Claims-Richtlinie, in: ESG – Zeitschrift für nachhaltige Unternehmensführung, 5/2023, S. 130-134
Kreutzer, R. (2021): Toolbox für Digital Business, Leadership, Geschäftsmodelle, Technologien und Change-Management für das digitale Zeitalter, Wiesbaden: Springer Gabler
Kreutzer, R. (2023): Der Weg zur nachhaltigen Unternehmensführung, Wie Sie Verantwortung für Menschen, Umwelt und Wirtschaft übernehmen, Wiesbaden: Springer Gabler