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Kreative Onlinewerbung

Wie in der klassischen Werbung zählt auch bei der Onlinewerbung nur eines: Die Idee. (Buchbeitrag)
Hansjörg Zimmermann | 11.03.2008
Dieser Fachartikel erschien im Leitfaden Online-Marketing
http://buchblog.marketing-boerse.de
http://www.marketing-boerse.de/Info/details/LeitfadenOM


Einfach ist am schwersten. Wie in der klassischen Werbung zählt auch bei der Onlinewerbung nur eines: Die Idee. Die Idee. Die Idee. Um eine Idee zur Welt zu bringen braucht es Kreativität. Was ist eigentlich Kreativität? Kann man hier im Zweifel genau so gut darüber streiten wie über Geschmack? Eine Frage, die man mit einem klaren Jain beantworten muss. Natürlich ist Kreativität nicht nur eine Frage des Talents, sondern auch der Disziplin.

Im Gegensatz zur klassischen Werbung muss der „Online-Kreative“ jedoch auch noch die komplexen Zusammenhänge des Internet begreifen. Viralität, Technology, Dynamik und One-to-One-Systeme sind eine enorme Herausforderung. Die kreativen Prozesse sind komplizierter und die Auftraggeber in der Regel nicht so honorierungsfreudig wie bei den klassischen Disziplinen. Eine Beobachtung, die am Rande der Cyberlions-Jury - die alljährlich im Juni in Cannes innerhalb der Werbefestspiele stattfindet und auch Kollegen aus aller Welt bestätigen konnten.

Noch wird die Arbeit der Online-Kreativen nicht so gewürdigt. Und deshalb sind die Ergebnisse auch selten auf dem Niveau, das sich die Kreativen selbst wünschen. Kein Wunder. Wer nur die Hälfte bezahlt, bekommt nur die Hälfte.

Wenn man die Kampagnen des laufenden Jahres beobachtet, so fallen streng genommen nur zwei Beispiele wirklich herausragend auf. Ron Hammer – eine mittlerweile nahezu kultige Web 2.0 Online-Kampagne, die es via YouTube sogar zu einer internationalen Berühmtheit gebracht hat. Und natürlich das Phänomen Horst Schlämmer. Hornbach und VW haben sich diebisch über die Reaktion auf die beiden nahezu subversiven Ideen gefreut.

Hornbach hätte man solch einen Coup sicher zugetraut, schließlich zählt die ganze Kommunikation dieses Unternehmens zu den kreativsten und nachweislich erfolgreichsten Werbekampagnen der vergangenen Jahre in Deutschland. Die Idee ist so einfach wie genial.

Seit Tagen kursierte im Internet ein Video, das einen verunglückten Stunt, offen-sichtlich über einem Baumarkt, zeigt. Das Video ziemlich amateurhaft unscharf, was aber bewusst als Stilmittel eingesetzt war, und abenteuerlich. Auftraggeber: Hornbach und ihre Agentur Heimat. Ron Hammer ist nichts als eine echte Kunstfigur in einer scheinbar virtuellen Welt. Die Aktion wird zunächst nicht als Werbung wahrgenommen, ist aber von den Kreativen exakt so einkalkuliert. Irgendwann wird irgendwer das Geheimnis lüften und dann wird noch mehr darüber geschrieben, als bisher darüber gesprochen wurde. ARD, der Spiegel, W&V und Horizont und eine Menge anderer Fach- und Publikumsmagazine sowie Tageszeitungen, Wirtschaftszeitungen und TV-Sender, Internet-Portale wie Sport1.de, Myvideo und viele mehr verbreiten die Idee „Ron Hammer“ in Windeseile und mit großen Lettern. Welch genialer Marketing-Coup. Natürlich wird kontrovers diskutiert. Aber auch das ist Plan der Kampagne.

Und wer hat´s erfunden? Falsch. Weder die Schweizer, noch sogenannte „Online-Kreative“. Eine klassische Agentur aus Berlin – die hochdekorierten Kreativen der Agentur Heimat - hat allen eine lange Nase gemacht und gezeigt wo der kreative „Hammer“ hängt.

„Um einen Marketingmanager zum Weinen zu bringen, dürfte es genügen, ihm eine Preisliste für TV-Werbung unter die Nase zu halten: Bis zu 100.000 Euro kostet die Ausstrahlung eines 30-Sekünders. Wenn sich die Werbung doch nur von selbst verbreiten würde. Weil dieser Gedanke so verlockend ist, wurde in den 90er-Jahren die Form des „viralen Marketings“ entwickelt. Durch unterhaltende, oft etwas schräge Elemente wird die Zielgruppe dazu gebracht, einen Inhalt massenhaft selbst zu verbreiten.“ [1]

Hier sind wir bei einem entscheidenden Punkt. Eine Idee und damit Kreativität entsteht nur, wenn man Grenzen überschreitet, über den Tellerrand hinausblickt und ein Risiko eingeht. Aber welcher Marketingchef – außer wenn ihm selbst die Firma gehört – hat Mut? Und hier werden die ersten Ideen leider schon im Keim erstickt. Erst verlieren die Kreativen den Mut, dann der Marketingverantwortliche, dann der Vorstand oder der Geschäftsführer. Nicht immer. Und nicht alle lassen sich den Schneid abkaufen. Und damit wären wir beim Phänomen Horst Schlämmer und VW. Eine der wenigen Ausnahmen von der Regel mit offensichtlich phantastischem Ergebnis.


Das Phänomen „Horst Schlämmer“

Der stellvertretende Chefredakteur aus Grevenbroich – eine mittlerweile kultige Kunstfigur von Hape Kerkeling - geht in die Fahrschule und fährt ein Auto. Bis dahin nichts Ungewöhnliches. Auch, dass er einen VW Golf fährt, würde niemand weiter aufregen.

Was Sie bis hierher gelesen haben ist die eigentlich harmlose Startseite von Horst Schlämmer alias Hape Kerkeling. Zunächst auch kein Wort von VW. Wozu auch. Schließlich gehört es zur natürlichen Aufgabe einer Fahrschule, Autos für die Fahrschüler zur Verfügung zu stellen.

PR-gesteuert macht das alles aber spätestens dann Sinn, als seine Geschichten im Blog auftauchen – supported von VW. Jetzt ist das Ganze plötzlich dialog- und kampagnenfähig. Volkswagen übernimmt also faktisch den Führerschein. Und sorgt auch dafür, dass potenzielle Kunden ein wenig mehr Freude am Produkt haben. Virales Guerilla-Marketing, das es ebenso redaktionell ins Fernsehen geschafft hat wie Ron Hammer und bis heute nahezu unzähligen Response verursacht.

Objektiv gesehen ist der Erfolg recht eindeutig: In der zweiten Woche Platz 50 in den Deutschen Blogcharts kann eigentlich nur eins bedeuten: Die deutsche Blogosphäre hat sich mit Begeisterung auf Schlaemmer.tv und die damit zusammenhängende Volkswagen-Kampagne gestürzt.

Diese relativ neue guerilla-artige Disziplin der Onlinewerbung hat viele Namen: Word of Mouth Marketing, Viral Marketing, Connected Marketing. Nennen Sie es, wie Sie wollen. Nur kreativ müssen Sie sein. Ohne Idee kein Response. Interessant am Rande: Auch hier haben Kreative einer klassischen Werbeagentur, nämlich DDB, das kommunikative Heft in der Hand gehabt. Eigentlich gar nicht so schwer. Kreative Onlinewerbung. Nur Mut. Sie schaffen das schon.


Literatur

[1] http://www.ard.de/kultur/sonstiges/der-fall-ron-hammer
Justin Kirby, Paul Marsden: Connected Marketing. - http://www.deutscheblogcharts.de/
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Über Hansjörg Zimmermann

Hansjörg Zimmermann arbeitet als Dozent, Referent und Autor. Er ist außerdem Gründer von Das Goldene Vlies, Studio für Markenbeziehungen und Design.