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Neue Anwendungsgebiete der Blickverlaufsforschung

Seit mehr als 100 Jahren versuchen Wissenschaftler, dem Wahrnehmungs- und Kaufverhalten des Menschen auf die Spur zu kommen. (Buchbeitrag)
Laura Lamieri | 20.11.2008
Dieser Fachartikel erschien im Leitfaden Dialog-Marketing

http://www.marketing-boerse.de/Info/details/LeitfadenDM

http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3000239251/absolit/028-2842597-1070167/absolit


Seit mehr als 100 Jahren versuchen Wissenschaftler, dem Wahrnehmungs- und Kaufverhalten des Menschen auf die Spur zu kommen. Als Hilfe hierzu dienten schon damals apparative Verfahren. Eines dieser Verfahren ist die Augenkamera, die bereits seit vielen Jahrzehnten Werbe- und Marketing-Profis fasziniert.


Anwendungsgebiete der Augenkamera für Werbetreibende

Mit Hilfe von Augenkamera-Systemen können grundsätzlich alle visuellen Werbemittel untersucht werden. Hierzu gehören

- Mailings
- TV-Spots
- Kataloge
- Werbe-Videos
- Prospekte
- Werbe-CD-ROMs
- Anzeigen
- Plakate
- Internetseiten
- POS-Werbung


Wie funktioniert die Augenkamera?

Die Augenkamera zeichnet die Bewegungen des Auges auf. Dazu wird das Auge mit infrarotem Licht (IR-Lichtquelle) beleuchtet, das die Testperson nicht wahrnimmt, und mit einer Schwarzweiß-Videokamera aufgezeichnet. Durch die Spiegelung des Infrarotlichts entsteht auf der Augenoberfläche ein Reflex, der je nach Stellung des Auges eine bestimmte Position hat (Cornea-Reflex). Als Referenz hierzu dient die Reflexion aus der Pupillenmitte. Nun hat man zwei Reflexe, die je nach Stellung des Auges in einem bestimmten Abstand und Winkel zueinander liegen. Das System wird nun mittels einiger Referenzpunkte auf dem Werbemittel kalibriert. Hierbei erfolgt ein Abgleich auf die Krümmung der Augenoberfläche und eine Synchronisation der Lage des Auges mit dem aktuellen Blick auf die Vorlage. Dabei wird das Signal der Schwarzweiß-Kamera (Auge) zu einem Computer geschickt, der daraus einen Cursor generiert. Über einen weiteren Eingang erhält der Computer das sogenannte Stimulussignal der entsprechenden Vorlage. Beide Signale (Stimulus und Cursor) werden im Computer „übereinander“ gelegt (Overlay-Funktion). Damit ist es möglich, den Blick des Betrachters auf der Vorlage über einen Cursor sichtbar zu machen.


Nutzen der Augenkamera für werbetreibende Unternehmen

Mit einem Augenkamera-Test können sich Unternehmen davon überzeugen, wie die Zielgruppe deren Werbung wahrnimmt. Die Augenkamera verfolgt dabei den Blickverlauf der Testperson auf dem Werbemittel und zeichnet ihn auf. So kann überprüft werden,

- wie lange die Zielgruppe Ihre Werbemittel betrachtet,
- welche Elemente beachtet und welche übersehen werden,
- wie intensiv und wie häufig einzelne Gestaltungs-Elemente beachtet werden,
- in welcher Reihenfolge die Elemente gesehen werden und
- wie die Zielgruppe mit den Werbemitteln umgeht (Handling).

Auf diese Weise können werbetreibende Unternehmen wichtige Schlüsse ziehen, zum Beispiel:

- wie die Vorteile Ihres Angebotes besser vermittelt werden können,
- welche Gestaltungs-Varianten mehr Erfolg versprechen und
- wie das Werbemittel erfolgreicher gestaltet und weiterentwickelt werden kann.

Für die Augenkamera-Untersuchung sollten Probanden aus der Zielgruppe des Werbemittels gewählt werden. Es empfiehlt sich weiterhin, die Augenkamera-Messung durch Methoden der Befragung zu ergänzen. Eine derartige kombinierte Analyse erfasst sowohl die Wahrnehmung der Probanden als auch die Wirkung der Werbung. Hierbei registriert die Augenkamera die Wahrnehmung des Werbemittels sowie das Handling über den Blickverlauf. Die Befragung ermittelt ergänzend Einstellungen, Erinnerungen und Bewertungen der Probanden.


Umsetzung in der Praxis

Auf den folgenden Seiten soll die praktische Umsetzung eines solchen Untersuchungsansatzes an drei verschiedenen Case-Studies verdeutlicht werden:


Case-Study 1: Kombinierter Untersuchungsansatz

Im Dezember 2005 beauftragte ein großer Versicherungs-Dienstleister das Siegfried Vögele Institut (SVI), insgesamt fünf Schriftstücke zu untersuchen. Diese bestanden im einzelnen jeweils aus Kuvert, Anschreiben, Formular zum Ausfüllen und passenden Erläuterungen. Der Versicherer wollte durch die Untersuchung einerseits allgemeine Erkenntnisse zu Wahrnehmung und Wirkung der Schriftstücke gewinnen. Andererseits sollten Filter und Verstärker in Text und Gestaltung identifiziert und Optimierungs-Ansätze aufgezeigt werden. Eine zentrale Frage in Bezug auf die vorliegenden Schriftstücke war: Wie gelingt die Verknüpfung von Wahrnehmung und Handling?

Die Studie
Mithilfe eines ganzheitlichen Studiendesigns sollten auch Antworten auf diejenigen Fragen möglich sein, die bei „konventionellen“ Befragungsmethoden oftmals offen bleiben. Im vorliegenden Fall betrifft dies insbesondere die Untersuchung des Formulars als einen wichtigen Bestandteil des Schriftstücks. Üblicherweise schließt sich an einen klassischen Augenkamera-Test eine persönliche Befragung an, die die Bereiche Recall, Recognition sowie Likes und Dislikes abdeckt. Der praktische Umgang mit dem Formular, der tatsächliche Prozess der Auseinandersetzung, wird damit nur unzureichend untersucht. In der beschriebenen Studie wurde daher ein kombiniertes Untersuchungsdesign aus Augenkamera, Befragung und ergänzender Beobachtung mit so genanntem postaktionalem „Lautem Denken“ gewählt. Die Untersuchung wurde im Nachgang durch eine separate Telefonbefragung ergänzt.

Vorgehen
Zu Beginn der Studie wurden zunächst Verständlichkeit der Schriftstücke und Aufmerksamkeits-Leistung von fünf Probanden mit der Augenkamera getestet. Der Blickverlauf wurde beim Erstkontakt mit den Schriftstücken sowie bei dessen späterer Bearbeitung des Formulars aufgezeichnet. Nach der ersten Aufzeichnung des Blickverlaufs beim Erstkontakt erfolgte eine Kurz-Befragung der Testperson. Hier wurden die „klassischen“, bereits genannten Bereiche von Erinnerung und Beurteilung des Schriftstücks abgefragt. Anschließend erfolgte eine zweite Blickaufzeichnung, bei der das Formular einem „Praxis-Test“ unterzogen wurde. Hierbei kam eine Rollenspiel-Technik zum Einsatz: Ein Mitarbeiter des SVI stellt sich als Bekannter/Verwandter der Testperson vor. Dieser hat Post von seiner Versicherung bekommen und fühlt sich damit überfordert. Er/Sie bittet daher den Probanden um Hilfe, sich die entsprechende Post ebenfalls anzusehen und bei der anschließenden Bearbeitung zu helfen, beziehungsweise das Ausfüllen zu übernehmen. Die dazu nötigen persönlichen Angaben zum Ausfüllen erhält die Testperson von dem SVI-Mitarbeiter anhand vorher festgelegter Daten („Dummy-Identität“). Mittels der beschriebenen Technik versucht man, Verständnisschwierigkeiten im Formular aufzugreifen, um gezielte Optimierungsvorschläge einzubringen. Während des Ausfüllprozesses wird der Blickverlauf weiterhin aufgezeichnet, um genau zu verfolgen, wie intensiv sich der Proband mit einzelnen Fragen auseinandersetzt und ob er zum Beispiel beigefügte Erläuterungen liest. Anschließend wurde der Testperson das gefilmte Material vorgeführt, um gezielt auf spezielle Punkte, die offensichtlich die größten Hürden darstellten, eingehen zu können. Hierbei „kommentierte“ die Testperson die ihm/ihr vorgeführte Aufzeichnung, unter anderem den Umgang mit dem Mailing sowie das Ausfüllen des Formulars, gelenkt durch einen geschulten Mitarbeiter mittels spezieller Gesprächstechniken. So zeigte sich zum Beispiel, dass Formulare, die in der ersten Befragung als leicht verständlich eingestuft wurden, Hürden aufweisen, die erst durch den Praxistest (tatsächliches Ausfüllen des Formulars) zutage treten. Dies kann in der Realität dazu führen, dass seitens der Versicherungsnehmer Reaktanzen bezüglich der Formulare entstehen. Diese können im schlimmsten Falle zur Verweigerung des Ausfüllens und damit zu erhöhter Korrespondenz und auch höheren Kosten für das Unternehmen führen. Im nächsten Untersuchungs-Schritt mussten insgesamt fünfzig Empfänger der Schreiben diese zusätzlich ausführlich bewerten. Dies erfolgte über eine Telefonbefragung. Hierdurch sollten ausführliche Erkenntnisse über die reale Empfangsund Bearbeitungssituation gewonnen werden.

Die Ergebnisse
Die Ergebnisse aus der Augenkamera-Aufzeichung, den beiden Befragungen und dem „Praxis-Test“ unter Anwendung des Rollenspiels mit „Dummy-Identität“ führte zu überraschenden Ergebnissen. Dem Unternehmen konnten umfangreiche Optimierungs-Empfehlungen gegeben werden. So evaluierten die Probanden im Rahmen der Befragung die Schreiben laut eigener Einschätzung und Wahrnehmung als leicht verständlich. Die ergänzende Beobachtung, in welcher die Probanden ein Formular selbstständig bearbeiten mussten, zeigte allerdings etwas anderes. Hier stießen die Probanden teils auf erhebliche Schwierigkeiten und Hürden, die ihnen im Rahmen der vorherigen Befragung gar nicht bewusst waren. Diese äußerten sich vor allem in Verständnisproblemen und in Leserfragen, die das Formular nicht ausreichend klären konnte. Derartige Hürden bergen die potenzielle Gefahr in sich, dass Reaktanzen, schließlich eine Wahrnehmungsverweigerung beim Leser aufgebaut werden. Die gravierendste Folge: Eine nähere Beschäftigung mit dem Formular findet nicht mehr statt. Das SVI half dem Versicherungsunternehmen dabei, Barrieren für die Zukunft zu minimieren. Hierzu wurden die Formulare für ein einfacheres Handling optimiert. Die Untersuchung zeigt weiterhin deutlich: Eine Kombination und sinnvolle Orchestrierung verschiedener Testverfahren gibt Antworten auf Fragen, die mit „konventionellen“, einstufigen Testdesigns offen bleiben würden. Diese besteht beispielsweise aus Befragung, apparativen Verfahren (Augenkameratest) und einer detaillierten Handlungsüberprüfung. Durch den breiten Untersuchungsansatz können wesentlich detailliertere – und damit validere und verlässlichere – Testergebnisse geliefert werden. Dies bedeutet für das Unternehmen: Wirkungsvolle Handlungsempfehlungen für effektivere und effizientere Kommunikations-Maßnahmen.


Case Study 2: Ein Store Check mit der Augenkamera

in einem Großmarkt ein, um die Werbewirkung der Point-of-Sale-Gestaltung zu untersuchen.

Im Zuge einer Modernisierung wurde dort ein farbliches und grafisches Orientierungs-System eingeführt, das die einzelnen Abteilungen voneinander abgrenzt. Weitere Informations-Möglichkeiten an den Regalköpfen sowie Banner und Stopper an den einzelnen Regalen kamen hinzu. Parallel zu diesen PoS-Maßnahmen versendet der Handelskonzern alle 14 Tage als Direktmailing ein Hausprospekt. Die grafische Umsetzung des Prospekts enthält hervorgehobene Abbildungen und Preisangaben sowie sonstige Akzentuierungen, die bestimmte Waren prominent platzieren. So soll der Bedarf des Kunden geweckt werden.

Die Aufgaben-Stellung bestand darin, nach Eröffnung des modernisierten Großmarktes zu ermitteln, wie sich Kunden am neu gestalteten Point of Sale (PoS) zurechtfinden. Wird das Orientierungs-System genutzt? Wie nimmt der Kunde die beworbene Ware aus dem Prospekt wahr? Wird sie überhaupt gefunden? Außerdem soll untersucht werden, ob die Prospekt-Gestaltung die gewünschte Wirkung erzielt.

Die Studie
Als Lösungs-Ansatz entwickelte die Dialog Forschung des SVI zusammen mit dem Auftraggeber ein Untersuchungs-Design für den Großmarkt. Dabei wurde mithilfe einer mobilen Augenkamera der Blickverlauf von Testkunden während des Aufenthalts im Ladengeschäft aufgezeichnet. Auf diese Weise konnten Stärken und Schwächen des neuen Orientierungs-Systems aufgedeckt werden. Die Forscher sind auf die Messung der Wahrnehmungs-Leistung von Dialog-Medien spezialisiert. Anhand der Analyse-Ergebnisse formulieren die Experten konkrete Optimierungs-Empfehlungen. Ein Augenkamera-Test war zuvor bereits erfolgreich zur Optimierung des Prospekts durchgeführt worden.

Vorgehen
Eine wesentliche Herausforderung bestand darin, die Untersuchung während der regulären Öffnungszeiten durchzuführen, ohne die Abläufe im Markt zu behindern. Die Tests mussten also in Echtzeit durchgeführt werden. Die zehn Probanden waren zuvor anhand von typischen Zielgruppen-Merkmalen ausgewählt worden. Sie erhielten bestimmte Aufgaben, etwa die Suche nach einem speziellen Wein, der im Prospekt beworben wurde, oder das Auffinden von Informationen zu einem im Markt angebotenen Artikel. Mittels Aufzeichnungs-Geräten, mobiler Stromversorgung und vor Ort installierten Computern konnten die Blickverläufe beim Lösen der Aufgaben kontinuierlich aufgezeichnet werden. Nach der Einkaufs-Tour wurden alle Probanden zusätzlich zu ihren persönlichen Eindrücken befragt.

Die Ergebnisse
Die Auswertung von sechs Stunden Blickverlaufs-Aufzeichnung und circa vierhundert Seiten Befragungs-Protokoll lieferte unter anderem Aufschluss darüber, welche optischen Hilfsmittel im Markt die Suche nach Artikeln aus dem Prospekt erleichtern. Ebenso konnte ermittelt werden, wie viele Personen alle genannten Artikel gefunden hatten. Im Untersuchungs-Bericht wurden sowohl die Stärken als auch die Optimierungs-Potenziale des neuen Orientierungs-Systems beschrieben. Für die Gestaltung des Point of Sale bedeutet das beispielsweise:

- Wiedereinführung bestimmter Formen der Preis-Ausschilderung.
- Optimierung der Dekoration.
- Einsatz zusätzlicher Informations-Elemente.


Case-Study 3: Layouttest einer Tageszeitung

Wer eine Zeitung macht, kommuniziert jeden Morgen mit seinen Lesern. Doch ob es ein Dialog oder eher ein Monolog wird, entscheidet sich daran, ob die zu ermittelnden Botschaften der Autoren auch tatsächlich den Leser erreichen. Damit sich der Leser für eine bestimmte Zeitung entscheidet, müssen neben dem Inhalt auch der Aufbau und die Übersichtlichkeit des Mediums stimmen. Deswegen müssen dem Leser einer Zeitung stets ausreichend Orientierungshilfen offeriert werden. Anhand deren sollte der Leser die Vielzahl der gebotenen Informationen leicht auswählen und sich einen schnellen Überblick verschaffen können, wo er welche Information findet.

Die betreffende Zeitung verfolgt ihr einheitliches Grund-Layout bereits seit 1997. Sie erscheint mit einer Gesamtauflage von 220.000 Exemplaren in zwölf regionalen Haupt- und sieben Unterausgaben im Norden von Rheinland-Pfalz. Das Verlagshaus mit Sitz in Rheinland-Pfalz arbeitet kontinuierlich daran, die Leser-Blatt-Beziehung zu stärken. Ein Kriterium für die Akzeptanz der Leser ist ein gelungenes Layout. Vom Aufbau der Zeitung und der Übersichtlichkeit der Seiten hängt es ab, wie gut sich die Leser in ihrer Tageszeitung zurechtfinden. Um zu überprüfen, ob das 1997 entwickelte Layout der Zeitung die Vermittlung der redaktionellen Botschaften optimal unterstützt, nutzte der Verlag als einer der ersten der Branche den Augenkamera-Test des SVI. Die Methode ist in der Werbemittelforschung schon lange gängige Praxis und eignet sich auch zur Überprüfung der Wirksamkeit von Zeitungslayouts. Allerdings wird sie im Verlagswesen bisher noch selten eingesetzt.

Die Studie
Für die SVI-Studie wurde der Blickverlauf von fünfzehn Probanden beim Lesen der zu testenden Zeitung aufgenommen. Als Probanden dienten zehn Abonnenten und fünf Nicht-Abonnenten im Alter von 18 bis 60 Jahren und aus den verschiedensten Berufszweigen und Funktionen (zum Beispiel Schüler, Mathematiker, Hausfrau).

Vorgehen
Im Rahmen des Untersuchungsaufbaus wurden die Testpersonen gebeten, die Tageszeitung so zu lesen, wie sie es auch im Alltag tun würden. Währenddessen wurde der Blickverlauf der Probanden aufgezeichnet. Anschließend stellte man ihnen in einer persönlichen Befragung fünf gezielte Aufgaben, die wertvolle Hinweise zum Verständnis der Zeitung liefern sollten. Diese waren im Einzelnen:
- Wo steht das Wetter?
- Wo stehen die Leserbriefe?
- Wo gibt es rasche Informationen über die wichtigsten Lokalthemen?
- Wo steht der Kommentar zum Titelthema?
- Die Zeitung anrufen – wo steht die Nummer?
Bei der Bearbeitung der gestellten Aufgaben wurde der Blickverlauf weiterhin aufgezeichnet. Anschließend wurde über zwanzig Stunden Aufzeichnungsmaterial der fünfzehn Probanden eingehend analysiert.

Die Ergebnisse
Die Kombination aus Augenkamera-Test, Aufgabenbearbeitung und Befragungen brachte wichtige Erkenntnisse für die betreffende Zeitung. Ein zentrales Resultat der Studie: Für die Lesequote sind Schlüsselwörter, die sofort zu erfassen sind, wichtiger als farbige Bilder und ausgeklügelte Formulierungen. Denn Zeitungsleser suchen die Seiten schnell und sprunghaft nach Schlüsselworten ab, wie der Augenkamera-Test dokumentierte. Fanden die Probanden keine interessanten Schlüsselwörter, legten sie die Zeitung bald beiseite. Wenn sie den Einstieg ins Lesen aber einmal gefunden hatten, beschäftigten sie sich intensiv mit den Artikeln. Entsprach ein Thema ihren Interessen, lasen die Testpersonen auch lange Artikel ohne Bilder. Zwar konnte nachgewiesen werden, dass Bilder die Auseinandersetzung der Leser mit dem Text unterstützen, doch die Verweildauer des Auges auf Fotos und Logos war eher kurz. Dies überraschte die Blattmacher und SVI-Experten gleichermaßen, da sie von der Annahme ausgingen, Bilder weckten grundsätzlich die größte Aufmerksamkeit. Die Bildunterschriften hatten für die Leser dagegen einen wesentlich höheren Stellenwert als vermutet. Passten die Erläuterungen nicht recht zum Foto, sank die Lesequote. Seltener als die Redaktion erwartet hatte, nutzten die Leser auffällig platzierte Anreißer und Info-Kästen. Die Blickverlaufaufzeichnungen bestätigten, dass die Leser gut auf das Farbleitsystem der Zeitung reagieren. So wie die farbigen Gestaltungselemente auf den Lokalseiten immer blau und im Sportteil rot sind, wurde allen Ressorts eine bestimmte Farbe zugeordnet. Jedoch steuerten die wenigsten Probanden die Seitenköpfe, Rubrikenzeilen und Verweise auf weitere Artikel an, die ebenfalls der Orientierung dienen. So haben die meisten Versuchspersonen die Zeitung aufs Geratewohl durchblättert, als sie die fünf Test-Themen in der Ausgabe suchten. Deshalb will die Zeitung die Navigationshilfen weiter verbessern. Außerdem sollen bestimmte Informationen künftig Tag für Tag an der gleichen Stelle behandelt werden. Denn was nicht täglich erscheint und am gleichen Platz steht, wird von den Lesern nicht als regelmäßiges Informationsangebot wahrgenommen, so eine weitere Erkenntnis der Studie.


Literatur

Block A.: Die Blickregistrierung als psycho-physiologische Untersuchungsmethode. – Hamburg, 2002.
Duchowski, A. T.: Eye-Tracking Methodology: theory and practice. – London, 2003.
Vögele, S.: Dialogmethode: das Verkaufsgespräch per Brief und Antwortkarte. – Landsberg/Lech, 2002.
Vögele S.: 99 Erfolgsregeln des Direktmarketing. – Landsberg am Lech, 2003.