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Twitter - der größte Blödsinn aller Zeiten?

Der Online-Dienst Twitter findet in rasender Geschwindigkeit neue Anhänger. Was steckt dahinter? „E-Mail für Arme“ oder „Next-Big-Thing“ im Internet?
Daniel Weichert | 04.12.2009
Die Queen tut’s, Obama auch. Selbst jeder zehnte Bundestagsabgeordnete kann es nicht lassen. Sie alle twittern, zu deutsch „zwitschern“. Der Online-Dienst Twitter findet in rasender Geschwindigkeit neue Anhänger. Doch was steckt dahinter? „E-Mail für Arme“ oder „Next-Big-Thing“ im Internet? Und wie funktioniert Twitter überhaupt?

Seelenstriptease für die Avantgarde-Masse? Belangloses Geplapper und sinnloses Geschwätz? Twitter wurde bis vor kurzem noch belächelt. Doch spätestens seit der Microblogging-Dienst Instrument des Widerstands gegen den Iran wurde, ist vielen klar: Twitter kann mehr.

Twitter, dahinter verbirgt sich eine simple Idee. Ähnlich einer SMS können Nutzer mit 140 Zeichen der Welt mitteilen, was sie gerade tun - egal ob im Geschäfts- oder im Privatleben. Der Clou dabei: es ist kinderleicht, kostenlos und die Nachrichten verbreiten sich explosionsartig. Realtime-Internet mit Twitter. Nirgendwo gibt es Nachrichten schneller und aktueller.

Prominentestes Beispiel: Die spektakuläre Notlandung eines Airbus auf dem Hudson-River. Geschehen am 15. Januar 2009. Noch bevor ein Reporter über das Ereignis berichten konnte, wusste Twitter bescheid. „There's a plane in the Hudson. I'm on the ferry going to pick up the people. Crazy“…waren die ersten Zeilen, mit denen die Öffentlichkeit von der Beinahe-Katastrophe erfuhr. Kurz darauf wurde noch ein Foto getwittert, mit den Passagieren auf den Tragflächen des schwimmenden Airbus A320. Beides verbreitete sich in atemberaubender Ge-schwindigkeit in der Twitter-Welt und damit auch auf vielen Webseiten. Janis Crums, der Mann hinter Nachricht und Foto, hatte lediglich ein Handy mit dabei. Als zufälliger Zeuge des Ereignisses ließ er die Twitter-Community daran teilhaben. Im Handumdrehen wusste die halbe Welt bescheid, dank Schneeballsystem.

Das Grundprinzip von Twitter
Der Benutzer veröffentlicht Kurznachrichten, sog. „Tweets“. Seine Abonnenten, die sog. Follower, können diese auf Ihrer Twitter-Website lesen. Dort werden die Nachrichten chronologisch abgelegt, ähnlich einem Tagebuch. Zusätzlich ist den Nachrichten jeweils ein kleines Foto oder Logo des Absenders beigefügt. Jede Nachricht kann mit wenigen Mausklicks an die eigenen Follower weitergeleitet (retweetet) werden. Ist eine Meldung besonders interessant oder spannend, kann sie schnell die Runde machen, via Twitter-Community. Und diese ist mittlerweile riesig groß. Im Juni 2009 besuchten weltweit knapp 45 Millionen Menschen die Twitter-Webseite, 15 mal so viele wie im Jahr zuvor. Und der Trend geht unvermindert weiter. Nach eigenen Angaben möchte Twitter zum größten Online-Dienst heranwachsen. Bis 2013 sollten es dann über eine Milliarde Nutzer sein. Dass dies nicht ganz aus den Sternen gegriffen ist, zeigt ein Blick auf die Bewertung des Microblogging-Dienstes. Wurde Twitter im Februar 2009 noch mit 250 Millionen US-Dollar bewertet, hat sich der Wert mittlerweile auf eine Milliarde US-Dollar vervierfacht. Analysten zufolge spiegelt die hohe Bewertung das Marktpotenzial des Dienstes wieder.

Twittern ist kinderleicht.
Erforderlich ist im Grunde nur eine E-Mail-Adresse, um sich bei Twitter zu registrieren. Nach dem üblichen Registrierungs-Prozedere, dass weniger als 5 Minuten in Anspruch nimmt, kann es losgehen. Für einen Tweet (Kurznachricht) stehen Ihnen 140 Zeichen zur Verfügung. Diese Zeichenlänge wurde von Twitter gewählt, damit Sie auch vom Handy aus Twittern können. In Deutschland können lediglich Nachrichten via SMS an eine Twitter-Telefonnummer gesendet werden (+49 17 6888 50505). An Handys in deutsche Mobilfunknetze verschickt Twitter je-doch keine Nachrichten. Diese Funktion gibt es bisweilen nur in den USA. In der Regel setzt sich ein Tweet aus einem kurzen Text und einem Link zusammen. Der Link ist optional und dient dazu, auf weitergehende Informationen zu verweisen. Damit der Link alleine nicht schon Ihre 140 Zei-chen sprengt, gibt es Tools wie TinyURL (tiny-url.com) oder bit.ly. Diese machen aus langen Webadressen (URL) kurze. TinyURL und bit.ly sind übrigens auch als Erweiterungen für den Browser Firefox erhältlich. Mit bit.ly lassen sich zusätzlich Klickstatistiken auswerten (Wie oft wurde auf meinen Tweet geklickt?).

Worüber soll ich jetzt twittern?
Das kommt ganz darauf an. Welche Ziele verfolgen Sie? Steht der reine Abverkauf im Vordergrund, sollten Sie in erster Linie Ihre Sonderan-gebote twittern. Der sehr direkte und kontinuierliche Dialog via Twitter eignet sich auch gut für Markenbildung und Kundenbindung. Sich immer wieder in Erinnerung bringen, Präsenz zeigen. Grundsätzlich gilt: twittern Sie nur interessante und aktuelle Nachrichten – twittern Sie Ihre „Informationsperlen“. Auch wenn Sie nicht vorhaben, in absehbarer Zeit zu „zwitschern, sollten Sie sich bei Twitter registrieren. Denn mit der Vergabe von Benutzernamen verhält es sich bei Twitter ähnlich wie bei der Domainvergabe: wer zuerst kommt mahlt zuerst.

Dass Twitter mittlerweile erfolgreich von Unternehmen eingesetzt wird, steht außer Frage. Lufthansa hat mittlerweile 9.000 Follower. Diese können sich über besondere Reiseangebote informieren und werden bei Bedarf direkt auf das entsprechende Angebot weitergeleitet. Der amerikanische Computer-Händler Dell hat mittlerweile über 3 Millionen US-Dollar Umsatz mit Twitter gemacht. Also: Seelenstriptease für die Avantgarde-Masse? Belangloses Geplapper und sinnloses Geschwätz?
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Daniel Weichert ist fachlicher Leiter der E-Business-Beratung BIEG Hessen. Seit 10 Jahren berät er vor allem kleine und mittlere Unternehmen zu Inter