Wie Texte wirken
Dieser Fachartikel erschien im Leitfaden Dialog-Marketing
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http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3000239251/absolit/028-2842597-1070167/absolit
Warum lesen wir Texte? Was geschieht beim Lesen? Und wie kann man die Wirkung eines Textes ganz einfach verbessern? Wer sich fragt, wie Texte wirken, stößt schnell auf verblüffende Erkenntnisse und auf ganz praktische Regeln. Wer sie kennt, bekommt Werkzeuge, die Texte und Konzepte deutlich verbessern. Und ganz nebenbei eine Menge Hintergrundwissen für die oft ermüdende Diskussion hinter dem Satz „aber mir gefällt das besser“. Denn Texten ist mehr als Schreiben. Es ist Schreiben mit viel Wissen um Verkaufstechnik, Psychologie und die Wirkungsweise unseres Gehirns.
Warum Texte gelesen werden
Die Welt, in der wir werben, ist schnell und voller Informationen. In allen Lebensbereichen herrscht ein Überangebot von Informationen und wir nehmen nur einen Bruchteil davon zur Kenntnis. Bereits Ende der 80er Jahre sprach der Werbewirkungsforscher Prof. Werner Kroeber-Riehl von einer Informations-Überlastung von 98 Prozent. Gerade einmal zwei Prozent der angebotenen Informationen können wir beim ersten Kontakt bewusst verarbeiten, hieß es da. Heute liefert die moderne Gehirnforschung neue Daten. Und die lassen die erwähnten zwei Prozent sehr optimistisch wirken.
Warum wir überhaupt Informationen „aufnehmen“
Gerade im Dialogmarketing ist es wichtig, möglichst schnell eine Informationskette mit dem Ziel „Reaktion“ aufzubauen. „Dialoge“ sind hier zielorientiert und führen sehr stark. Schon in der ersten Begegnung mit einem Medium entscheiden wenige Augenblicke, ob Botschaften eine weitere Beschäftigung „wert“ sind. Bilder, Grafiken, Headlines und klare Strukturen aktivieren noch vor dem Text. Dabei muss mindestens einer der folgenden guten Gründe in Bild und Text erkennbar sein, sonst landet Werbung im Papierkorb oder wird weggeklickt.
Was einfach auszuwerten ist, kommt zuerst: Unser Gehirn hat die Tendenz, sich zunächst mit Informationen zu beschäftigen, die einfach zu erfassen sind. Deshalb werden Bilder vor Text angeschaut, deshalb lesen wir kurze Absätze vor langen. Dialogmarketing braucht in Konzept und Text eine Struktur, die signalisiert „dieser Text ist einfach auszuwerten“.
Wir lesen, wenn wir lesen müssen. Angst und Druck sind starke Motive, sich mit Informationen zu beschäftigen. Sie wirken, wenn das Finanzamt schreibt, Gerichtspost ins Haus flattert oder eine betriebliche Mitteilung die eigene Karriere betrifft. Solche Post lesen wir – ohne über stilistische Merkmale zu diskutieren. Druck ist auch ein starker Motivator für Werbeleser. Wenn er von außen „gesetzt“ wird. Zum Beispiel durch Naturkatastrophen, Gesetzesänderungen oder sonstige unaufhaltsame Ereignisse. Denken Sie an Abgeltungssteuer oder Euro-Umstellung.
Was wir kennen, interessiert uns mehr. Entdecken wir Bekanntes in einer Information, sind wir eher geneigt, uns mit dieser Information zu beschäftigen. Haben Sie sich zum Beispiel für den Kauf eines bestimmten Automodells entschieden, fallen Ihnen plötzlich Anzeigen, Bilder, Testberichte dazu in allen Zeitschriften auf – auch wenn Sie vorher der Meinung waren, hier stehe nichts über „Ihr Modell“. Dieses Phänomen nennt man selektive Wahrnehmung.
In der Werbung macht man sich dieses Wissen zu Nutze: Welche bekannten Dinge, Schlüsselwörter, Gemeinsamkeiten finden Sie, wenn Sie an Ihre Zielgruppe denken? Diese Punkte eignen sich hervorragend, um einen Leser an die Hand zu nehmen und in den Text zu führen. Auch bekannte Klänge, die an Sprichwörter oder Songtitel erinnern, erhalten hohe Aufmerksamkeit. Grundsätzlich gilt: Je genauer sich ein Texter, Konzeptioner oder Grafiker in die Zielperson einfühlen kann, desto größer sind die Chancen „etwas Bekanntes“ für den Leser zu platzieren.
Wir sind auf der Suche nach Vorteilen. Erkennt ein Leser schnell Vorteile für sich, steigt sein Interesse. Übrigens ist ein auf den Leser bezogener Vorteil ein Nutzen. Nutzen sind die magischen Momente, der Punkt an dem „Verkaufen“ anfängt. Achten Sie also darauf, Produktmerkmale in Nutzen zu verwandeln. Wenn ein Verkäufer sein Fahrrad als „superleicht“ anpreist, ist das noch kein konkreter Nutzen. Nutzen für den Leser wären Aussagen wie „das können Sie ganz einfach mit einer Hand auf den Dachgepäckträger heben“, „damit fahren Sie Steigungen leichter hoch“. Das Muster: Übersetzen Sie Produktmerkmale in Nutzen mit der einfachen Formel „das bedeutet für Sie …“.
Wer Neugier erzeugt, erhält Aufmerksamkeit. Ein weiterer Grund, warum wir uns mit Informationen beschäftigen: Die Neugier. In der Werbung nutzt man sie durch Rubbelbilder oder Stanzungen, die eine Botschaft in Teilen vermitteln. Im Text geht es um Headlines, starke Teaser, aktivierende Anschreiber. Oft wird hier nur die halbe Wahrheit verraten, aber so viel Spannung erzeugt, dass der nächste Klick oder ein „Weiterlesen“ garantiert erfolgt. Wichtig: Eine Lösung muß für den Leser im Dialogmarketing problemlos erreichbar sein. Nur dann funktioniert sie noch, die Führung zur Reaktion. Ist ein „Rätsel“ zu schwierig oder zu kompliziert, wird aus Lust schnell Frust. Und das heißt dann wegwerfen oder wegklicken.
Was beim Lesen geschieht
Lesen ist ein komplexer Vorgang, der sich in drei Stufen gliedert. Auf jeder Stufe des Lesevorgangs laufen Prozesse im Gehirn Ihres Lesers ab. Kennt man als Texter diese Prozesse, kann man Sie „gestalten“:
Stufe 1: Das Erkennen von Wörtern
Stufe 2: Das Verstehen von Sätzen und Satzfolgen
Stufe 3: Der Einbau des Gelesenen in das Vorwissen
Stufe 1: Das Erkennen von Wörtern
Zunächst einmal lesen wir anders als man denkt. Denn ein geübter Leser entziffert selten Buchstabe für Buchstabe. Das ist nur bei unbekannten Wörtern üblich. Das Auge bewegt sich beim Lesen nicht kontinuierlich über die Zeilen, sondern es springt von Haltepunkt zu Haltepunkt. Dabei dauern solche „Fixationen“ gerade einmal circa 200 bis 500 Millisekunden und entsprechen im normalem Leseabstand etwa einem Kreis von zwei bis drei cm Durchmesser.
Bei geübten Lesern oder beim Lesen eines einfachen Textes „springt“ das Auge nun gleichmäßig über die Zeile. Für ungeübte Leser beziehungsweise bei schwierigen Texten sind mehr Fixationen und zahlreiche Rücksprünge zur Vergewisserung erforderlich. Augenhaltepunkte überlappen sich und dauern länger.
Außerhalb des Fixationsbereichs nimmt das Auge Strukturen, Farben und grobe Merkmale der Schrift wahr, die auf die unscharfe Randzone der Netzhaut fallen. Diese Informationen reichen jedoch aus, um eine vorbewusste Entscheidung über das nächste Sprungziel der Augen zu treffen. Dabei sind Großbuchstaben, Ober- und Unterlängen, Wortzwischenräume und Wortlängen wichtige Anhaltspunkte.
Um Wörter zu erkennen, sind nun drei Dinge nötig. Ein Leser muss zunächst visuell entziffern, was da steht. Das betrifft vor allem die Schrift. So „geht“ die altdeutsche Druckschrift sicher nur noch älteren Lesern mühelos „in den Kopf“. Die eigene Handschrift liest oft nur der Schreiber ohne Schwierigkeiten. Deshalb wählen wir Schriften, die einfach zu entziffern sind.
Neben dem visuellen Entziffern kodieren wir Wörter in Lautsprache zurück. Hier geht es um das sogenannte innere Hören. Deshalb bewegen Menschen die Lippen beim Lesen. Ein Phänomen, das Sie täglich in Bussen oder Straßenbahnen beobachten können. Spannend: Einige Begriffe müssen nicht mehr dekodiert werden, denn sie werden wie Bilder gespeichert und wirken deutlich schneller.
Um ein Wort zu entschlüsseln, fehlt noch ein weiterer Schritt: Die Zeichen auf Papier oder Bildschirm muss das Gehirn des Lesers als Buchstaben erkennen. Durch richtige Zuordnung der Symbole entsteht ein Wort im Kopf und dieses Wort ruft nun im Idealfall ein Bild aus dem Bildspeicher ab.
Stufe 2: Das Verstehen von Sätzen und Satzfolgen
Die Kernfrage: Erkennen und behalten wir den roten Faden eines Textes? Je länger und komplizierter ein Satz, desto schwieriger ist das. Denn ein Werbeleser wird kaum die Geduld aufbringen, Schachtelsätze über mehrere Zeilen zu lesen. Und darüber lange grübeln, was Sie ihm über Ihre Produkte denn nun eigentlich mitteilen wollen, wird er auch nicht. Schließlich – und das ist der dritte geistige Prozess beim Verstehen von Sätzen und Satzfolgen – sollte sich ein Wort mit dem vorhandenen Wissen des Lesers verbinden. Das geschieht nur, wenn wir es kennen. Lesen Sie „Rasenmäher“, wird das Bild eines Rasenmähers aus Ihrem Gehirn abgerufen. Lesen Sie „Hrrdlbrmpft“, sehen Sie nichts.
Stufe 3: Der Einbau des Gelesenen in das Vorwissen.
Dies geschieht durch Assoziationen, durch Verknüpfungen und durch Einfälle beim Lesen. Für den Text ist es hier besonders wichtig, durch Sprachstil, Sprachbilder und Wortwahl die richtigen Assoziationen im Gehirn eines Lesers abzurufen. Doch das ist nur möglich, wenn ich als Texter über meine Zielgruppe informiert bin – und wenn ich weiß, wie und wo Wörter im Gehirn wirken.
Während man noch vor wenigen Jahren davon ausging, dass Sprache ausschließlich eine Funktion der linken Großhirnhälfte sei, hat die moderne Gehirnforschung mit diesen Theorien aufgeräumt. Wörter werden an unterschiedlichen Stellen im Gehirn verarbeitet und gespeichert. Und diese feinen Unterschiede sind ganz entscheidend, wenn wir fragen, ob ein Text wirkt oder eben nicht. [2]
Rangfolge 1: Da Emotionen im Gehirn Vorfahrt haben, sind bildhafte und emotionale Wörter und Wendungen besonders stark. Denn in der Folge muss ja unter Umständen schnelles Handeln ausgelöst werden.
Rangfolge 2: Auch mit weniger Emotion erreichen wir noch eine starke Aktivierung, wenn ein Wort nicht nur das Bild- sondern auch das Bewegungsgehirn anspricht.
Rangfolge 3: Weniger Emotion, keine Bewegung, aber noch bildhaft.
Rangfolge 4: Abstrakte Begriffe. Überlegen Sie einmal: Welche Wendung hat mehr Brisanz. Wenn einer „den Stier bei den Hörnern packt“ oder in „medias res geht“?
Textverständlichkeit: Was die Forschung sagt ...
Auch die Wissenschaft beschäftigt sich immer wieder mit den eben genannten drei Phasen. Und das schon lange. Seit den zwanziger Jahren gibt es Verständlichkeitsund Lesbarkeitsforschung, die zwei große Ansätze verfolgt:
1. Die Orientierung an auszählbaren Textmerkmalen und ihre weitere „Verarbeitung“ in Verständlichkeitsformeln. Zudem gibt es weitere Formeln, die Einzelaspekte der Sprache untersuchen: Zum Beispiel die Frage nach Abstraktheit oder persönlicher Wirkung eines Textes.
2. Kriterienkataloge, die eine Zielgruppeneinschätzung wiedergeben.
Die folgende Tabelle folgt dem ersten Ansatz. Zu Grunde liegt hier der so genannte Reading Ease oder Verständlichkeits-Index eines Herrn Flesch aus dem Jahr 1948, entwickelt für die englische Sprache. Das Verfahren: Man nehme eine Textstichprobe von 100 Wörtern, zähle Satz- und Wortlängen und setze die Durchschnittszahlen in folgende Formel ein: RE = 206,835 – 0,846 wl – 1,015 sl. Dabei steht wl für die Anzahl der Silben pro hundert Wörter, sl steht für die durchschnittliche Anzahl der Wörter pro Satz.
Das Ergebnis ist eine Indexzahl. Und die finden Sie mit den zugeordneten Texten in der folgenden Tabelle. Für die deutsche Sprache anwendbar machte A. Mihm den Index in den siebziger Jahren. Er verschob jedoch wegen der größeren durchschnittlichen Wortlänge im Deutschen die Reading Ease-Scores (linke Spalte).
In den USA werden solche Formeln tatsächlich genutzt. So teilt man Kongressrednern oft einen geforderten Reading Ease mit, um zu verhindern, dass eine Präsentation in unverständliches Kauderwelsch abgleitet.
Dem Ansatz Nr. 2 „Einschätzung eines Textes durch eine Zielgruppe“ folgt zum Beispiel das Hamburger Modell der Verständlichkeitsforschung. Hier haben die Psychologen Langer, Schulz von Thun und Tausch zunächst eine Liste von Eigenschaften angelegt, die sich zur Beschreibung und Einschätzung von Texten eignen. Diese Liste wurde zu polaren Skalen verarbeitet, die vier „Dimensionen der Verständlichkeit“ genauer beschreiben. Experten beurteilen nun verschiedene Texte hinsichtlich dieser Merkmale. Wichtig ist hier: Es handelt sich um Eindrucks-Merkmale. Sie werden also nicht objektiv ausgezählt, sondern intuitiv bei der Lektüre erfasst.
Die Dimensionen der Textverständlichkeit
Einfachheit – Kompliziertheit
Gliederung/ Ordnung – Ungegliedertheit/ Zusammenhanglosigkeit
Kürze/ Prägnanz – Weitschweifigkeit
Zusätzliche Stimulanz – Keine zusätzliche Stimulanz
Wie man die Wirkung eines Textes verbessert
Aus den eben erwähnten Ansätzen lassen sich nun ganz pragmatische Anforderungen an einen gelungenen Text destillieren. So macht der Verständlichkeitsindex von Flesch die Wirkung unterschiedlicher Satz- und Wortlängen sofort sichtbar. Deshalb fasst der folgende Abschnitt dieses Kapitels Anforderungen an Dialogmarketing-Texte in einer ganz praktischen Anleitung zusammen.
1. Gehen Sie strukturiert ans Schreiben heran
„Gut Ding will Weile haben“. Auch wenn der Druck sehr groß ist. Für Texter liegt hier eine tiefere Wahrheit. Denn Texten ist ein Prozess. Ein Weg vom Rohtext zum Reintext. Rohtext nennt man den ersten, noch „unbehauenen“ Textentwurf. Reintext ist das druckreife Ergebnis. Nur wenige Menschen können „aus dem Stand“ druckreif schreiben. Wer nun sofort versucht, perfekt zu schreiben, verlangt etwas von sich, das fast unmöglich ist. Die Folge: Man blockiert sich selbst. Machen Sie es also wie die Profis. Im ersten Rohtext geht es darum, Ihr Thema inhaltlich zu fassen, nicht um Perfektion. Er sollte beinhalten, was Sie sagen wollen. Erst dann kümmern Sie sich um die Optimierung. Also: erst kommt der Inhalt, dann die Form.
2. Schaffen Sie klare Textstrukturen
Was steht wo? Wie sorge ich dafür, dass Leser sofort erfassen, wo wichtige Punkte zur Sprache kommen? Hier geht es um die Struktur Ihres Textes. Das Hamburger Modell der Verständlichkeit fragt beispielsweise: Wann ist ein Text gegliedert, wann wirkt er ungegliedert? Jakob Nielsen, Usability-Guru für das Web, wird gern zitiert mit der Aussage: Die Benutzerfreundlichkeit einer Website lässt sich allein durch Umgestaltung des Textes um bis zu 160 Prozent steigern. Einen wesentlichen Anteil daran haben klare Textstrukturen. Aber auch die Schaffung von Orientierung durch Fettdruck, Zusammenfassungen, Bulletpoints, Hervorhebungen, Tabellen und Gliederungen gehören dazu.
Nützlich, wenn man vorher überlegt hat, wie man seinen Text portioniert. Sorgen Sie vorab für eine klare Struktur und helfen Sie Ihrem Leser viele Einzelinformationen richtig einzuordnen. Arbeiten Sie mit Headline-Text-Strukturen und sorgen Sie für klare Absätze. Daumenregel für die Absatzlänge: sieben bis zwölf Zeilen. Und schaffen Sie klare Prioritäten. Was ist der wichtigste Vorteil im Verkaufstext? Das wichtigste Thema? Was steht in Headlines, auf der Titelseite des Prospekts, im Betreff Ihres E-Mail-Newsletters?
3. Achten Sie auf Satzbau und Satzlänge
Kontrollieren Sie Ihre Sätze. Ist ein Satz zu lang oder zu verschachtelt, dann teilen Sie ihn. Die sogenannte Obergrenze für gesprochene Texte liegt bei vierzehn Wörtern pro Satz. Wer Werbetexte, Telefonskripten, Drehbücher oder für das Internet schreibt, tut gut daran, sich an dieser Grenze zu orientieren. Ein guter deutscher Satz hat vierzehn bis zwanzig Wörter. Und das sollte die Zielgröße für Ihre Dialogmarketing-Texte sein. Was noch hilft, um in dieser Zielgröße zu bleiben: Kontrollieren Sie jedes Komma! Schachtelsätze und eingeschobene Nebensätze demonstrieren oft eher die Entwicklung der Gedanken des Schreibers beim Schreiben als klare Aussagen. Also setzen Sie ihn rechtzeitig, den Punkt – jagen Sie überflüssige Nebensätze und befreien Sie eingeschachtelte Gedanken aus ihren Schachteln. Haben sie eigene Sätze verdient? Wenn ja, bitte sehr. Wenn nein: Streichen Sie sie ersatzlos. Noch zwei nützliche Regeln: Ein Gedanke pro Satz. Ein Thema pro Absatz.
4. Wortlängen: Schreiben Sie für das Auge des Lesers
Am schnellsten versteht man ein- und zweisilbige Wörter. Deshalb finden sich diese auch vorwiegend in der Headline. Und: Kurze Vorteilswörter erkennen wir wie ein Bild. Entfernen Sie also alle Wortmonster aus Ihren Texten. Etwa fünf bis sechs Silben können wir bei einer Schriftgröße von zwölf Punkt mit einem Augenhaltepunkt aufnehmen. Und sechs Silben sind eine pragmatische Oberlänge für Ihre Wörter im Dialogmarketing. Klar ist: Allein kurze Sätze zu schreiben reicht nicht. Verständlich schreiben heißt immer auch Wörter kürzen. Die Verständlichkeitsformeln nach Flesch empfehlen als durchschnittliche Wortlänge zwei Silben. Und wenn ein Wort einmal länger ist: Dann entscheiden Sie, ob es leiben muss. Das ist oft bei Produktnamen oder Fachbegriffen der Fall. Wenn Ihr Text darauf verzichten kann: Umschreiben Sie diese Begriffe mit Hilfe des Genitivs („Oberfläche des Tapeziertischs“) oder trennen Sie sie durch den Bindestrich („Tapeziertisch-Oberfläche“). Kontrollieren Sie Ihre Wörter auch auf schnelle Erfassbarkeit – vor allem die langen und mehrsilbigen. Der „Eröffnungsgutschein“ ist zwar ein sehr beliebtes Werbegeschenk – im Text versteckt, kann Ihr Leser aber sehr leicht darüber stolpern. Also: Trennen Sie solche vielköpfigen Wort-Ungeheuer. Machen Sie aus dem „Eröffnungsgutschein“ einen „Eröffnungs-Gutschein“ oder gleich den „Gutschein zur Eröffnung“. Bedenken Sie: Für Sie ist es nur ein Bindestrich ( „–“ ), für Ihren Leser aber ist es eine wichtige Stütze fürs Auge.
5. Schreiben Sie im Verbalstil und hüten Sie sich vor Hilfsverben
„Nach dieser langjährigen, nicht immer einfachen, jedoch immer überraschenden und ergebnisorientierten Zusammenarbeit möchte ich Ihnen heute als Ergebnis unserer mehrtägigen spannenden und anregenden Klausurtagung in Augsburg ...“ Na was? … die Kündigung überreichen? … eine Belobigung aussprechen? Nach 26 Wörtern erfährt der Leser immer noch nicht, was da kommt. Der Grund: Ohne Verb wissen wir nicht, was geschieht. Und das ist im Beispielsatz bislang noch nicht aufgetaucht. Dafür sorgt übrigens das kleine Wort „möchten“. In der Sprache der Grammatik ein „modales Hilfsverb“.
Können, müssen, möchten, dürfen, wollen, sollen, oder würden sind Hilfsverben. Und die verbannen den lebendigen Teil Ihres Satzes – das Verb – ans Satzende. Vor allem, wenn Sie in der Werbung über ein Produkt sprechen, sind Hilfsverben tabu. Sagen Sie klar und deutlich, was Ihr Produkt kann. Sagen Sie, was es leistet und nicht, was es leisten könnte. Sagen Sie „ich meine“, nicht „ich würde meinen“. Anstatt „können Sie bestellen“ „bestellen Sie“, und anstatt „möchte ich Ihnen schicken“ schreiben Sie „schicke ich Ihnen heute“. Die Ausnahme: Sie „müssen“ nicht auf alle Hilfsverben verzichten. Erlaubt sind sie, um besonders höflich zu sein (darf ich bitten!) oder um eine Aussage zu relativieren. Die generelle Regel heißt jedoch: Schreiben Sie aktiv im Verbalstil – oder noch einfacher: Starke Verben nach vorn!
6. Mode-, Fremdwörter und Abkürzungen „adios“
Machen Sie sich beim Schreiben von Werbetexten stets bewusst: Ihr Leser muss Sie verstehen, es soll eine Reaktion stattfinden. Deshalb Vorsicht mit allen Fachund Fremdwörtern. Meiden Sie möglichst den firmeninternen Sprachgebrauch bei der Beschreibung von Produkten. Erklären Sie die Vorteile für den Leser lieber in einfacher, klarer Sprache. Vorsicht auch bei Modewörtern. Sie sind modischen Trends unterworfen, werden nicht von allen Lesern verstanden oder noch schlimmer: werden falsch verstanden.
7. Schreiben Sie bildhaft: Die richtige Wortwahl
Am einprägsamsten sind Texte, die uns helfen, Bilder aus unserem Gehirn abzurufen. Wenn Ihr Text es schafft, Ihr Produkt wie im Film vor dem Auge des Lesers zu präsentieren, haben Sie ein Meisterstück vollbracht. Schreiben Sie also aktiv (Tatform) und setzen Sie bildhafte Verben ein. Allein für das Wörtchen „gehen“ Sie durch Ihre Sprache Bilder für den Leser: „taumeln, schlendern, stolzieren“ jedes Verb löst andere Assoziationen aus.
Adjektive oder Eigenschaftswörter helfen uns, Dinge genau zu beschreiben und voneinander abzugrenzen. Sehr konkret sind die Adjektive, die unsere fünf Sinne ersetzen: „Rot“, „sauer“, „rau“ aktivieren Bilder und Empfindungen. Nötig sind Adjektive bei einer Wertung: sehenswerte Filme, wertvolle Geschenke. Aber beachten Sie: Oft lassen sich Adjektiv + Substantiv durch ein treffenderes Substantiv ersetzen: starker Wind = Sturm, großer Hund = Dogge.
Ein besonderer Weg, das Kino im Kopf Ihrer Leser zu aktivieren, sind Metaphern oder bildhafte Übertragungen. Zwei Begriffe oder Themen werden miteinander verbunden und lassen neue Bedeutungen entstehen. Der Wolkenkratzer, das Luftschiff, aber auch der Hafen der Ehe. Metaphern und Sprachbilder leisten im Werbetext wichtige Aufgaben: Unbekanntes kann so in einen bekannten Rahmen gesetzt werden und eröffnet neue Möglichkeiten für den Text. Denn ist eine Übertragung erst einmal geschafft, kann Ihr Text „im Bild bleiben“. So kann man im Hafen der Ehe einlaufen, vor Anker gehen, auf eine alte Fregatte treffen oder Pech haben und sich mit einem Kriegsschiff einlassen.
8. Bringen Sie eine Sache „auf den Punkt“
Schreiben Sie stets so konkret wie möglich. Leicht, schwer, groß, klein kann alles Mögliche bedeuten. „20 Gramm, zwei Meter lang“ sind Angaben, die Ihren Lesern wesentlich mehr verraten. Auch Formulierungen wie „in Kürze“, „in wenigen Tagen“ ersetzen Sie – wenn möglich – durch konkrete Angaben. „Ihr Angebot in zwei Stunden“, „schon am nächsten Tag“ ist klipp und klar. Doch denken Sie daran: Einmal gegebene Versprechen müssen Sie einhalten. Denn ein Kunde, den man schon bei der Lieferung verärgert, ist ein potenzieller Remittent. Was besonders fordert: das Texten von Anzeigen für Google Awords. 25-35-35 Zeichen. Da ist Ihr Textmaß. Und da muss Ihr Leser nicht nur gute Gründe für den Klick entdecken, er braucht sie auch noch in klarer, schneller Sprache. Eine der besten Übungen um „auf den Punkt zu kommen“.
9. Schreiben Sie persönlich und beziehen Sie Ihren Text auf den Leser
Warum die Personalisierung im Dialogmarketing so wichtig ist, wissen Sie längst. Doch kann Ihr Text durch den richtigen Einsatz von Pronomen noch persönlicher werden. Nutzen Sie deshalb immer wieder die Wörter „Sie“, „Ihnen“, „Ihr“. Leider findet man noch immer Werbetexte, die mit „wir“ beginnen. „Wir haben entwickelt“, „wir bieten heute“, „ist es uns gelungen“. Egal, ob Ihr Produkt in zwei oder fünf Jahren entwickelt wurde: Es muss dem Leser Vorteile bieten.
10. Halten Sie mediale Unterschiede im Kopf
Für welches Medium schreiben Sie? Ein klarer und präziser deutscher Satz bleibt ein klarer Satz in allen Medien. Wer stets langatmig, Kauderwelsch oder unintelligentes Denglisch schreibt, wird das wohl in allen Medien tun. Eines ist aber klar: Natürlich muss ich mich als Texter auf formale Anforderungen und unterschiedliche Tonalitäten einstellen und einlassen. Wer Anzeigen textet, muss die Mediadaten kennen. Im E-Mail-Marketing muss klar sein, was spamfiltertauglich ist und was nicht. Im Internetportal gehört alle Kraft in den Teaser. Wer ihn textet, muss wissen, welche „Teasertypen“ es gibt und wie man Sie schreibt. Der Werbebrief wiederum hat ebenfalls einen klaren Aufbau. Das Wissen um Textformen und formale Anforderungen ist eine wesentliche Voraussetzung eines gelungenen Textes.
Und was Sie in diese Formen „hineinladen“, wie viel Background, literarische Zitate, wie gekonnt Sie mit Sprachbildern jonglieren, aus Texten ein Lesefest machen, Ihren Wunschkunden immer tiefer in den Text verwickeln. Das ist das Stück Talent, Belesenheit, Weltoffenheit und Witz, das jeder Texter haben muss. Und den Drang, echte Gespräche zu führen.
Literatur
[1] Die Pädagogik gibt viele Impulse für das Dialogmarketing. Das Schema zum Lesevorgang, das hier zu Grunde liegt, stammt aus einem Buch über Lerntexte: Ballstaed S.-P.: Lerntexte und Teilnehmerunterlagen. – Band 2 der Reihe „Mit den Augen lernen“. Beltz Verlag, Weinheim und Basel, 1991.
[2] Zum Thema „Gehirn“ möchte ich Sie ausdrücklich auf zwei Bücher im folgenden Literaturverzeichnis aufmerksam machen, die ausführlich darstellen, was hier für den Bereich der Sprache verkürzt wiedergegeben wird; Häusel H.G.: Brain Script; Scheier Ch., Held D.: Wie Werbung wirkt.
[3] Ein Klassiker, unter anderem zur erwähnten Verständlichkeitsformel: Groeben N.: Leserpsychologie: Textverständnis-Textverständlichkeit. Münster: Aschendorf 1982 Gottschling S.: Stark texten, mehr verkaufen. Kunden finden, Kunden binden mit Mailing, Web & Co. – Gabler Verlag, Wiesbaden, 3. überarb. u. erw. Aufl., 2008a.
Gottschling S.: Lexikon der Wortwelten. Das So-geht´s-Buch für bildhaftes Schreiben. – SGV Verlag, Augsburg, 2008b.
Gottschling S.: Werbebriefe einfach machen!. Das So-geht’s-Buch für verkaufsstarke Briefe. – SGV Verlag, Augsburg, 2007.
Gottschling S.: Texten zum Hören. Textwerkstatt – das Hörprogramm. – 2 Audio-CDs, Textakademie/SGV Verlag, Augsburg, 2007.
Gottschling S.: Einfach besser texten. – Gabal Verlag, Offenbach, 2006.
Gottschling S.: Was uns in den Kopf will und was nicht oder Was Ihr Text tun kann, damit er schneller ankommt. – In: Winter J. (Hrsg): Handbuch Werbetext. – Deutscher Fachverlag, Frankfurt/Main, 2004.
Gottschling S.: Die Texterfibel für das Direktmarketing. – Textakademie, Augsburg, 2002.
Gottschling, Rechenauer: Direktmarketing. – Manz Verlag, München, 1994.
Groeben N.: Leserpsychologie: Textverständnis – Textverständlichkeit. – Aschendorf, Münster, 1982.
Häusel H.-G.: Brainscript. Warum Kunden kaufen! – Rudolf Haufe Verlag, Planegg bei München, 2005.
Langer I., Schulz von Thun F.; Tausch, Reinhard: Sich verständlich ausdrücken. – Ernst Reinhard Verlag, München, Basel, 1990.
Reiners L.: Stilfibel. Der sichere Weg zum guten Deutsch. – Deutscher Taschenbuch Verlag, München, 29. Aufl., 1998.
Scheier Ch., Held D.: Wie Werbung wirkt. Erkenntnisse des Neuromarketing. – Rudolf Haufe Verlag, Planegg bei München, 2006.
Schneider W.: Deutsch für Kenner. – Gruner + Jahr, Hamburg, 1988/3.
http://www.marketing-boerse.de/Info/details/LeitfadenDM
http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3000239251/absolit/028-2842597-1070167/absolit
Warum lesen wir Texte? Was geschieht beim Lesen? Und wie kann man die Wirkung eines Textes ganz einfach verbessern? Wer sich fragt, wie Texte wirken, stößt schnell auf verblüffende Erkenntnisse und auf ganz praktische Regeln. Wer sie kennt, bekommt Werkzeuge, die Texte und Konzepte deutlich verbessern. Und ganz nebenbei eine Menge Hintergrundwissen für die oft ermüdende Diskussion hinter dem Satz „aber mir gefällt das besser“. Denn Texten ist mehr als Schreiben. Es ist Schreiben mit viel Wissen um Verkaufstechnik, Psychologie und die Wirkungsweise unseres Gehirns.
Warum Texte gelesen werden
Die Welt, in der wir werben, ist schnell und voller Informationen. In allen Lebensbereichen herrscht ein Überangebot von Informationen und wir nehmen nur einen Bruchteil davon zur Kenntnis. Bereits Ende der 80er Jahre sprach der Werbewirkungsforscher Prof. Werner Kroeber-Riehl von einer Informations-Überlastung von 98 Prozent. Gerade einmal zwei Prozent der angebotenen Informationen können wir beim ersten Kontakt bewusst verarbeiten, hieß es da. Heute liefert die moderne Gehirnforschung neue Daten. Und die lassen die erwähnten zwei Prozent sehr optimistisch wirken.
Warum wir überhaupt Informationen „aufnehmen“
Gerade im Dialogmarketing ist es wichtig, möglichst schnell eine Informationskette mit dem Ziel „Reaktion“ aufzubauen. „Dialoge“ sind hier zielorientiert und führen sehr stark. Schon in der ersten Begegnung mit einem Medium entscheiden wenige Augenblicke, ob Botschaften eine weitere Beschäftigung „wert“ sind. Bilder, Grafiken, Headlines und klare Strukturen aktivieren noch vor dem Text. Dabei muss mindestens einer der folgenden guten Gründe in Bild und Text erkennbar sein, sonst landet Werbung im Papierkorb oder wird weggeklickt.
Was einfach auszuwerten ist, kommt zuerst: Unser Gehirn hat die Tendenz, sich zunächst mit Informationen zu beschäftigen, die einfach zu erfassen sind. Deshalb werden Bilder vor Text angeschaut, deshalb lesen wir kurze Absätze vor langen. Dialogmarketing braucht in Konzept und Text eine Struktur, die signalisiert „dieser Text ist einfach auszuwerten“.
Wir lesen, wenn wir lesen müssen. Angst und Druck sind starke Motive, sich mit Informationen zu beschäftigen. Sie wirken, wenn das Finanzamt schreibt, Gerichtspost ins Haus flattert oder eine betriebliche Mitteilung die eigene Karriere betrifft. Solche Post lesen wir – ohne über stilistische Merkmale zu diskutieren. Druck ist auch ein starker Motivator für Werbeleser. Wenn er von außen „gesetzt“ wird. Zum Beispiel durch Naturkatastrophen, Gesetzesänderungen oder sonstige unaufhaltsame Ereignisse. Denken Sie an Abgeltungssteuer oder Euro-Umstellung.
Was wir kennen, interessiert uns mehr. Entdecken wir Bekanntes in einer Information, sind wir eher geneigt, uns mit dieser Information zu beschäftigen. Haben Sie sich zum Beispiel für den Kauf eines bestimmten Automodells entschieden, fallen Ihnen plötzlich Anzeigen, Bilder, Testberichte dazu in allen Zeitschriften auf – auch wenn Sie vorher der Meinung waren, hier stehe nichts über „Ihr Modell“. Dieses Phänomen nennt man selektive Wahrnehmung.
In der Werbung macht man sich dieses Wissen zu Nutze: Welche bekannten Dinge, Schlüsselwörter, Gemeinsamkeiten finden Sie, wenn Sie an Ihre Zielgruppe denken? Diese Punkte eignen sich hervorragend, um einen Leser an die Hand zu nehmen und in den Text zu führen. Auch bekannte Klänge, die an Sprichwörter oder Songtitel erinnern, erhalten hohe Aufmerksamkeit. Grundsätzlich gilt: Je genauer sich ein Texter, Konzeptioner oder Grafiker in die Zielperson einfühlen kann, desto größer sind die Chancen „etwas Bekanntes“ für den Leser zu platzieren.
Wir sind auf der Suche nach Vorteilen. Erkennt ein Leser schnell Vorteile für sich, steigt sein Interesse. Übrigens ist ein auf den Leser bezogener Vorteil ein Nutzen. Nutzen sind die magischen Momente, der Punkt an dem „Verkaufen“ anfängt. Achten Sie also darauf, Produktmerkmale in Nutzen zu verwandeln. Wenn ein Verkäufer sein Fahrrad als „superleicht“ anpreist, ist das noch kein konkreter Nutzen. Nutzen für den Leser wären Aussagen wie „das können Sie ganz einfach mit einer Hand auf den Dachgepäckträger heben“, „damit fahren Sie Steigungen leichter hoch“. Das Muster: Übersetzen Sie Produktmerkmale in Nutzen mit der einfachen Formel „das bedeutet für Sie …“.
Wer Neugier erzeugt, erhält Aufmerksamkeit. Ein weiterer Grund, warum wir uns mit Informationen beschäftigen: Die Neugier. In der Werbung nutzt man sie durch Rubbelbilder oder Stanzungen, die eine Botschaft in Teilen vermitteln. Im Text geht es um Headlines, starke Teaser, aktivierende Anschreiber. Oft wird hier nur die halbe Wahrheit verraten, aber so viel Spannung erzeugt, dass der nächste Klick oder ein „Weiterlesen“ garantiert erfolgt. Wichtig: Eine Lösung muß für den Leser im Dialogmarketing problemlos erreichbar sein. Nur dann funktioniert sie noch, die Führung zur Reaktion. Ist ein „Rätsel“ zu schwierig oder zu kompliziert, wird aus Lust schnell Frust. Und das heißt dann wegwerfen oder wegklicken.
Was beim Lesen geschieht
Lesen ist ein komplexer Vorgang, der sich in drei Stufen gliedert. Auf jeder Stufe des Lesevorgangs laufen Prozesse im Gehirn Ihres Lesers ab. Kennt man als Texter diese Prozesse, kann man Sie „gestalten“:
Stufe 1: Das Erkennen von Wörtern
Stufe 2: Das Verstehen von Sätzen und Satzfolgen
Stufe 3: Der Einbau des Gelesenen in das Vorwissen
Stufe 1: Das Erkennen von Wörtern
Zunächst einmal lesen wir anders als man denkt. Denn ein geübter Leser entziffert selten Buchstabe für Buchstabe. Das ist nur bei unbekannten Wörtern üblich. Das Auge bewegt sich beim Lesen nicht kontinuierlich über die Zeilen, sondern es springt von Haltepunkt zu Haltepunkt. Dabei dauern solche „Fixationen“ gerade einmal circa 200 bis 500 Millisekunden und entsprechen im normalem Leseabstand etwa einem Kreis von zwei bis drei cm Durchmesser.
Bei geübten Lesern oder beim Lesen eines einfachen Textes „springt“ das Auge nun gleichmäßig über die Zeile. Für ungeübte Leser beziehungsweise bei schwierigen Texten sind mehr Fixationen und zahlreiche Rücksprünge zur Vergewisserung erforderlich. Augenhaltepunkte überlappen sich und dauern länger.
Außerhalb des Fixationsbereichs nimmt das Auge Strukturen, Farben und grobe Merkmale der Schrift wahr, die auf die unscharfe Randzone der Netzhaut fallen. Diese Informationen reichen jedoch aus, um eine vorbewusste Entscheidung über das nächste Sprungziel der Augen zu treffen. Dabei sind Großbuchstaben, Ober- und Unterlängen, Wortzwischenräume und Wortlängen wichtige Anhaltspunkte.
Um Wörter zu erkennen, sind nun drei Dinge nötig. Ein Leser muss zunächst visuell entziffern, was da steht. Das betrifft vor allem die Schrift. So „geht“ die altdeutsche Druckschrift sicher nur noch älteren Lesern mühelos „in den Kopf“. Die eigene Handschrift liest oft nur der Schreiber ohne Schwierigkeiten. Deshalb wählen wir Schriften, die einfach zu entziffern sind.
Neben dem visuellen Entziffern kodieren wir Wörter in Lautsprache zurück. Hier geht es um das sogenannte innere Hören. Deshalb bewegen Menschen die Lippen beim Lesen. Ein Phänomen, das Sie täglich in Bussen oder Straßenbahnen beobachten können. Spannend: Einige Begriffe müssen nicht mehr dekodiert werden, denn sie werden wie Bilder gespeichert und wirken deutlich schneller.
Um ein Wort zu entschlüsseln, fehlt noch ein weiterer Schritt: Die Zeichen auf Papier oder Bildschirm muss das Gehirn des Lesers als Buchstaben erkennen. Durch richtige Zuordnung der Symbole entsteht ein Wort im Kopf und dieses Wort ruft nun im Idealfall ein Bild aus dem Bildspeicher ab.
Stufe 2: Das Verstehen von Sätzen und Satzfolgen
Die Kernfrage: Erkennen und behalten wir den roten Faden eines Textes? Je länger und komplizierter ein Satz, desto schwieriger ist das. Denn ein Werbeleser wird kaum die Geduld aufbringen, Schachtelsätze über mehrere Zeilen zu lesen. Und darüber lange grübeln, was Sie ihm über Ihre Produkte denn nun eigentlich mitteilen wollen, wird er auch nicht. Schließlich – und das ist der dritte geistige Prozess beim Verstehen von Sätzen und Satzfolgen – sollte sich ein Wort mit dem vorhandenen Wissen des Lesers verbinden. Das geschieht nur, wenn wir es kennen. Lesen Sie „Rasenmäher“, wird das Bild eines Rasenmähers aus Ihrem Gehirn abgerufen. Lesen Sie „Hrrdlbrmpft“, sehen Sie nichts.
Stufe 3: Der Einbau des Gelesenen in das Vorwissen.
Dies geschieht durch Assoziationen, durch Verknüpfungen und durch Einfälle beim Lesen. Für den Text ist es hier besonders wichtig, durch Sprachstil, Sprachbilder und Wortwahl die richtigen Assoziationen im Gehirn eines Lesers abzurufen. Doch das ist nur möglich, wenn ich als Texter über meine Zielgruppe informiert bin – und wenn ich weiß, wie und wo Wörter im Gehirn wirken.
Während man noch vor wenigen Jahren davon ausging, dass Sprache ausschließlich eine Funktion der linken Großhirnhälfte sei, hat die moderne Gehirnforschung mit diesen Theorien aufgeräumt. Wörter werden an unterschiedlichen Stellen im Gehirn verarbeitet und gespeichert. Und diese feinen Unterschiede sind ganz entscheidend, wenn wir fragen, ob ein Text wirkt oder eben nicht. [2]
Rangfolge 1: Da Emotionen im Gehirn Vorfahrt haben, sind bildhafte und emotionale Wörter und Wendungen besonders stark. Denn in der Folge muss ja unter Umständen schnelles Handeln ausgelöst werden.
Rangfolge 2: Auch mit weniger Emotion erreichen wir noch eine starke Aktivierung, wenn ein Wort nicht nur das Bild- sondern auch das Bewegungsgehirn anspricht.
Rangfolge 3: Weniger Emotion, keine Bewegung, aber noch bildhaft.
Rangfolge 4: Abstrakte Begriffe. Überlegen Sie einmal: Welche Wendung hat mehr Brisanz. Wenn einer „den Stier bei den Hörnern packt“ oder in „medias res geht“?
Textverständlichkeit: Was die Forschung sagt ...
Auch die Wissenschaft beschäftigt sich immer wieder mit den eben genannten drei Phasen. Und das schon lange. Seit den zwanziger Jahren gibt es Verständlichkeitsund Lesbarkeitsforschung, die zwei große Ansätze verfolgt:
1. Die Orientierung an auszählbaren Textmerkmalen und ihre weitere „Verarbeitung“ in Verständlichkeitsformeln. Zudem gibt es weitere Formeln, die Einzelaspekte der Sprache untersuchen: Zum Beispiel die Frage nach Abstraktheit oder persönlicher Wirkung eines Textes.
2. Kriterienkataloge, die eine Zielgruppeneinschätzung wiedergeben.
Die folgende Tabelle folgt dem ersten Ansatz. Zu Grunde liegt hier der so genannte Reading Ease oder Verständlichkeits-Index eines Herrn Flesch aus dem Jahr 1948, entwickelt für die englische Sprache. Das Verfahren: Man nehme eine Textstichprobe von 100 Wörtern, zähle Satz- und Wortlängen und setze die Durchschnittszahlen in folgende Formel ein: RE = 206,835 – 0,846 wl – 1,015 sl. Dabei steht wl für die Anzahl der Silben pro hundert Wörter, sl steht für die durchschnittliche Anzahl der Wörter pro Satz.
Das Ergebnis ist eine Indexzahl. Und die finden Sie mit den zugeordneten Texten in der folgenden Tabelle. Für die deutsche Sprache anwendbar machte A. Mihm den Index in den siebziger Jahren. Er verschob jedoch wegen der größeren durchschnittlichen Wortlänge im Deutschen die Reading Ease-Scores (linke Spalte).
In den USA werden solche Formeln tatsächlich genutzt. So teilt man Kongressrednern oft einen geforderten Reading Ease mit, um zu verhindern, dass eine Präsentation in unverständliches Kauderwelsch abgleitet.
Dem Ansatz Nr. 2 „Einschätzung eines Textes durch eine Zielgruppe“ folgt zum Beispiel das Hamburger Modell der Verständlichkeitsforschung. Hier haben die Psychologen Langer, Schulz von Thun und Tausch zunächst eine Liste von Eigenschaften angelegt, die sich zur Beschreibung und Einschätzung von Texten eignen. Diese Liste wurde zu polaren Skalen verarbeitet, die vier „Dimensionen der Verständlichkeit“ genauer beschreiben. Experten beurteilen nun verschiedene Texte hinsichtlich dieser Merkmale. Wichtig ist hier: Es handelt sich um Eindrucks-Merkmale. Sie werden also nicht objektiv ausgezählt, sondern intuitiv bei der Lektüre erfasst.
Die Dimensionen der Textverständlichkeit
Einfachheit – Kompliziertheit
Gliederung/ Ordnung – Ungegliedertheit/ Zusammenhanglosigkeit
Kürze/ Prägnanz – Weitschweifigkeit
Zusätzliche Stimulanz – Keine zusätzliche Stimulanz
Wie man die Wirkung eines Textes verbessert
Aus den eben erwähnten Ansätzen lassen sich nun ganz pragmatische Anforderungen an einen gelungenen Text destillieren. So macht der Verständlichkeitsindex von Flesch die Wirkung unterschiedlicher Satz- und Wortlängen sofort sichtbar. Deshalb fasst der folgende Abschnitt dieses Kapitels Anforderungen an Dialogmarketing-Texte in einer ganz praktischen Anleitung zusammen.
1. Gehen Sie strukturiert ans Schreiben heran
„Gut Ding will Weile haben“. Auch wenn der Druck sehr groß ist. Für Texter liegt hier eine tiefere Wahrheit. Denn Texten ist ein Prozess. Ein Weg vom Rohtext zum Reintext. Rohtext nennt man den ersten, noch „unbehauenen“ Textentwurf. Reintext ist das druckreife Ergebnis. Nur wenige Menschen können „aus dem Stand“ druckreif schreiben. Wer nun sofort versucht, perfekt zu schreiben, verlangt etwas von sich, das fast unmöglich ist. Die Folge: Man blockiert sich selbst. Machen Sie es also wie die Profis. Im ersten Rohtext geht es darum, Ihr Thema inhaltlich zu fassen, nicht um Perfektion. Er sollte beinhalten, was Sie sagen wollen. Erst dann kümmern Sie sich um die Optimierung. Also: erst kommt der Inhalt, dann die Form.
2. Schaffen Sie klare Textstrukturen
Was steht wo? Wie sorge ich dafür, dass Leser sofort erfassen, wo wichtige Punkte zur Sprache kommen? Hier geht es um die Struktur Ihres Textes. Das Hamburger Modell der Verständlichkeit fragt beispielsweise: Wann ist ein Text gegliedert, wann wirkt er ungegliedert? Jakob Nielsen, Usability-Guru für das Web, wird gern zitiert mit der Aussage: Die Benutzerfreundlichkeit einer Website lässt sich allein durch Umgestaltung des Textes um bis zu 160 Prozent steigern. Einen wesentlichen Anteil daran haben klare Textstrukturen. Aber auch die Schaffung von Orientierung durch Fettdruck, Zusammenfassungen, Bulletpoints, Hervorhebungen, Tabellen und Gliederungen gehören dazu.
Nützlich, wenn man vorher überlegt hat, wie man seinen Text portioniert. Sorgen Sie vorab für eine klare Struktur und helfen Sie Ihrem Leser viele Einzelinformationen richtig einzuordnen. Arbeiten Sie mit Headline-Text-Strukturen und sorgen Sie für klare Absätze. Daumenregel für die Absatzlänge: sieben bis zwölf Zeilen. Und schaffen Sie klare Prioritäten. Was ist der wichtigste Vorteil im Verkaufstext? Das wichtigste Thema? Was steht in Headlines, auf der Titelseite des Prospekts, im Betreff Ihres E-Mail-Newsletters?
3. Achten Sie auf Satzbau und Satzlänge
Kontrollieren Sie Ihre Sätze. Ist ein Satz zu lang oder zu verschachtelt, dann teilen Sie ihn. Die sogenannte Obergrenze für gesprochene Texte liegt bei vierzehn Wörtern pro Satz. Wer Werbetexte, Telefonskripten, Drehbücher oder für das Internet schreibt, tut gut daran, sich an dieser Grenze zu orientieren. Ein guter deutscher Satz hat vierzehn bis zwanzig Wörter. Und das sollte die Zielgröße für Ihre Dialogmarketing-Texte sein. Was noch hilft, um in dieser Zielgröße zu bleiben: Kontrollieren Sie jedes Komma! Schachtelsätze und eingeschobene Nebensätze demonstrieren oft eher die Entwicklung der Gedanken des Schreibers beim Schreiben als klare Aussagen. Also setzen Sie ihn rechtzeitig, den Punkt – jagen Sie überflüssige Nebensätze und befreien Sie eingeschachtelte Gedanken aus ihren Schachteln. Haben sie eigene Sätze verdient? Wenn ja, bitte sehr. Wenn nein: Streichen Sie sie ersatzlos. Noch zwei nützliche Regeln: Ein Gedanke pro Satz. Ein Thema pro Absatz.
4. Wortlängen: Schreiben Sie für das Auge des Lesers
Am schnellsten versteht man ein- und zweisilbige Wörter. Deshalb finden sich diese auch vorwiegend in der Headline. Und: Kurze Vorteilswörter erkennen wir wie ein Bild. Entfernen Sie also alle Wortmonster aus Ihren Texten. Etwa fünf bis sechs Silben können wir bei einer Schriftgröße von zwölf Punkt mit einem Augenhaltepunkt aufnehmen. Und sechs Silben sind eine pragmatische Oberlänge für Ihre Wörter im Dialogmarketing. Klar ist: Allein kurze Sätze zu schreiben reicht nicht. Verständlich schreiben heißt immer auch Wörter kürzen. Die Verständlichkeitsformeln nach Flesch empfehlen als durchschnittliche Wortlänge zwei Silben. Und wenn ein Wort einmal länger ist: Dann entscheiden Sie, ob es leiben muss. Das ist oft bei Produktnamen oder Fachbegriffen der Fall. Wenn Ihr Text darauf verzichten kann: Umschreiben Sie diese Begriffe mit Hilfe des Genitivs („Oberfläche des Tapeziertischs“) oder trennen Sie sie durch den Bindestrich („Tapeziertisch-Oberfläche“). Kontrollieren Sie Ihre Wörter auch auf schnelle Erfassbarkeit – vor allem die langen und mehrsilbigen. Der „Eröffnungsgutschein“ ist zwar ein sehr beliebtes Werbegeschenk – im Text versteckt, kann Ihr Leser aber sehr leicht darüber stolpern. Also: Trennen Sie solche vielköpfigen Wort-Ungeheuer. Machen Sie aus dem „Eröffnungsgutschein“ einen „Eröffnungs-Gutschein“ oder gleich den „Gutschein zur Eröffnung“. Bedenken Sie: Für Sie ist es nur ein Bindestrich ( „–“ ), für Ihren Leser aber ist es eine wichtige Stütze fürs Auge.
5. Schreiben Sie im Verbalstil und hüten Sie sich vor Hilfsverben
„Nach dieser langjährigen, nicht immer einfachen, jedoch immer überraschenden und ergebnisorientierten Zusammenarbeit möchte ich Ihnen heute als Ergebnis unserer mehrtägigen spannenden und anregenden Klausurtagung in Augsburg ...“ Na was? … die Kündigung überreichen? … eine Belobigung aussprechen? Nach 26 Wörtern erfährt der Leser immer noch nicht, was da kommt. Der Grund: Ohne Verb wissen wir nicht, was geschieht. Und das ist im Beispielsatz bislang noch nicht aufgetaucht. Dafür sorgt übrigens das kleine Wort „möchten“. In der Sprache der Grammatik ein „modales Hilfsverb“.
Können, müssen, möchten, dürfen, wollen, sollen, oder würden sind Hilfsverben. Und die verbannen den lebendigen Teil Ihres Satzes – das Verb – ans Satzende. Vor allem, wenn Sie in der Werbung über ein Produkt sprechen, sind Hilfsverben tabu. Sagen Sie klar und deutlich, was Ihr Produkt kann. Sagen Sie, was es leistet und nicht, was es leisten könnte. Sagen Sie „ich meine“, nicht „ich würde meinen“. Anstatt „können Sie bestellen“ „bestellen Sie“, und anstatt „möchte ich Ihnen schicken“ schreiben Sie „schicke ich Ihnen heute“. Die Ausnahme: Sie „müssen“ nicht auf alle Hilfsverben verzichten. Erlaubt sind sie, um besonders höflich zu sein (darf ich bitten!) oder um eine Aussage zu relativieren. Die generelle Regel heißt jedoch: Schreiben Sie aktiv im Verbalstil – oder noch einfacher: Starke Verben nach vorn!
6. Mode-, Fremdwörter und Abkürzungen „adios“
Machen Sie sich beim Schreiben von Werbetexten stets bewusst: Ihr Leser muss Sie verstehen, es soll eine Reaktion stattfinden. Deshalb Vorsicht mit allen Fachund Fremdwörtern. Meiden Sie möglichst den firmeninternen Sprachgebrauch bei der Beschreibung von Produkten. Erklären Sie die Vorteile für den Leser lieber in einfacher, klarer Sprache. Vorsicht auch bei Modewörtern. Sie sind modischen Trends unterworfen, werden nicht von allen Lesern verstanden oder noch schlimmer: werden falsch verstanden.
7. Schreiben Sie bildhaft: Die richtige Wortwahl
Am einprägsamsten sind Texte, die uns helfen, Bilder aus unserem Gehirn abzurufen. Wenn Ihr Text es schafft, Ihr Produkt wie im Film vor dem Auge des Lesers zu präsentieren, haben Sie ein Meisterstück vollbracht. Schreiben Sie also aktiv (Tatform) und setzen Sie bildhafte Verben ein. Allein für das Wörtchen „gehen“ Sie durch Ihre Sprache Bilder für den Leser: „taumeln, schlendern, stolzieren“ jedes Verb löst andere Assoziationen aus.
Adjektive oder Eigenschaftswörter helfen uns, Dinge genau zu beschreiben und voneinander abzugrenzen. Sehr konkret sind die Adjektive, die unsere fünf Sinne ersetzen: „Rot“, „sauer“, „rau“ aktivieren Bilder und Empfindungen. Nötig sind Adjektive bei einer Wertung: sehenswerte Filme, wertvolle Geschenke. Aber beachten Sie: Oft lassen sich Adjektiv + Substantiv durch ein treffenderes Substantiv ersetzen: starker Wind = Sturm, großer Hund = Dogge.
Ein besonderer Weg, das Kino im Kopf Ihrer Leser zu aktivieren, sind Metaphern oder bildhafte Übertragungen. Zwei Begriffe oder Themen werden miteinander verbunden und lassen neue Bedeutungen entstehen. Der Wolkenkratzer, das Luftschiff, aber auch der Hafen der Ehe. Metaphern und Sprachbilder leisten im Werbetext wichtige Aufgaben: Unbekanntes kann so in einen bekannten Rahmen gesetzt werden und eröffnet neue Möglichkeiten für den Text. Denn ist eine Übertragung erst einmal geschafft, kann Ihr Text „im Bild bleiben“. So kann man im Hafen der Ehe einlaufen, vor Anker gehen, auf eine alte Fregatte treffen oder Pech haben und sich mit einem Kriegsschiff einlassen.
8. Bringen Sie eine Sache „auf den Punkt“
Schreiben Sie stets so konkret wie möglich. Leicht, schwer, groß, klein kann alles Mögliche bedeuten. „20 Gramm, zwei Meter lang“ sind Angaben, die Ihren Lesern wesentlich mehr verraten. Auch Formulierungen wie „in Kürze“, „in wenigen Tagen“ ersetzen Sie – wenn möglich – durch konkrete Angaben. „Ihr Angebot in zwei Stunden“, „schon am nächsten Tag“ ist klipp und klar. Doch denken Sie daran: Einmal gegebene Versprechen müssen Sie einhalten. Denn ein Kunde, den man schon bei der Lieferung verärgert, ist ein potenzieller Remittent. Was besonders fordert: das Texten von Anzeigen für Google Awords. 25-35-35 Zeichen. Da ist Ihr Textmaß. Und da muss Ihr Leser nicht nur gute Gründe für den Klick entdecken, er braucht sie auch noch in klarer, schneller Sprache. Eine der besten Übungen um „auf den Punkt zu kommen“.
9. Schreiben Sie persönlich und beziehen Sie Ihren Text auf den Leser
Warum die Personalisierung im Dialogmarketing so wichtig ist, wissen Sie längst. Doch kann Ihr Text durch den richtigen Einsatz von Pronomen noch persönlicher werden. Nutzen Sie deshalb immer wieder die Wörter „Sie“, „Ihnen“, „Ihr“. Leider findet man noch immer Werbetexte, die mit „wir“ beginnen. „Wir haben entwickelt“, „wir bieten heute“, „ist es uns gelungen“. Egal, ob Ihr Produkt in zwei oder fünf Jahren entwickelt wurde: Es muss dem Leser Vorteile bieten.
10. Halten Sie mediale Unterschiede im Kopf
Für welches Medium schreiben Sie? Ein klarer und präziser deutscher Satz bleibt ein klarer Satz in allen Medien. Wer stets langatmig, Kauderwelsch oder unintelligentes Denglisch schreibt, wird das wohl in allen Medien tun. Eines ist aber klar: Natürlich muss ich mich als Texter auf formale Anforderungen und unterschiedliche Tonalitäten einstellen und einlassen. Wer Anzeigen textet, muss die Mediadaten kennen. Im E-Mail-Marketing muss klar sein, was spamfiltertauglich ist und was nicht. Im Internetportal gehört alle Kraft in den Teaser. Wer ihn textet, muss wissen, welche „Teasertypen“ es gibt und wie man Sie schreibt. Der Werbebrief wiederum hat ebenfalls einen klaren Aufbau. Das Wissen um Textformen und formale Anforderungen ist eine wesentliche Voraussetzung eines gelungenen Textes.
Und was Sie in diese Formen „hineinladen“, wie viel Background, literarische Zitate, wie gekonnt Sie mit Sprachbildern jonglieren, aus Texten ein Lesefest machen, Ihren Wunschkunden immer tiefer in den Text verwickeln. Das ist das Stück Talent, Belesenheit, Weltoffenheit und Witz, das jeder Texter haben muss. Und den Drang, echte Gespräche zu führen.
Literatur
[1] Die Pädagogik gibt viele Impulse für das Dialogmarketing. Das Schema zum Lesevorgang, das hier zu Grunde liegt, stammt aus einem Buch über Lerntexte: Ballstaed S.-P.: Lerntexte und Teilnehmerunterlagen. – Band 2 der Reihe „Mit den Augen lernen“. Beltz Verlag, Weinheim und Basel, 1991.
[2] Zum Thema „Gehirn“ möchte ich Sie ausdrücklich auf zwei Bücher im folgenden Literaturverzeichnis aufmerksam machen, die ausführlich darstellen, was hier für den Bereich der Sprache verkürzt wiedergegeben wird; Häusel H.G.: Brain Script; Scheier Ch., Held D.: Wie Werbung wirkt.
[3] Ein Klassiker, unter anderem zur erwähnten Verständlichkeitsformel: Groeben N.: Leserpsychologie: Textverständnis-Textverständlichkeit. Münster: Aschendorf 1982 Gottschling S.: Stark texten, mehr verkaufen. Kunden finden, Kunden binden mit Mailing, Web & Co. – Gabler Verlag, Wiesbaden, 3. überarb. u. erw. Aufl., 2008a.
Gottschling S.: Lexikon der Wortwelten. Das So-geht´s-Buch für bildhaftes Schreiben. – SGV Verlag, Augsburg, 2008b.
Gottschling S.: Werbebriefe einfach machen!. Das So-geht’s-Buch für verkaufsstarke Briefe. – SGV Verlag, Augsburg, 2007.
Gottschling S.: Texten zum Hören. Textwerkstatt – das Hörprogramm. – 2 Audio-CDs, Textakademie/SGV Verlag, Augsburg, 2007.
Gottschling S.: Einfach besser texten. – Gabal Verlag, Offenbach, 2006.
Gottschling S.: Was uns in den Kopf will und was nicht oder Was Ihr Text tun kann, damit er schneller ankommt. – In: Winter J. (Hrsg): Handbuch Werbetext. – Deutscher Fachverlag, Frankfurt/Main, 2004.
Gottschling S.: Die Texterfibel für das Direktmarketing. – Textakademie, Augsburg, 2002.
Gottschling, Rechenauer: Direktmarketing. – Manz Verlag, München, 1994.
Groeben N.: Leserpsychologie: Textverständnis – Textverständlichkeit. – Aschendorf, Münster, 1982.
Häusel H.-G.: Brainscript. Warum Kunden kaufen! – Rudolf Haufe Verlag, Planegg bei München, 2005.
Langer I., Schulz von Thun F.; Tausch, Reinhard: Sich verständlich ausdrücken. – Ernst Reinhard Verlag, München, Basel, 1990.
Reiners L.: Stilfibel. Der sichere Weg zum guten Deutsch. – Deutscher Taschenbuch Verlag, München, 29. Aufl., 1998.
Scheier Ch., Held D.: Wie Werbung wirkt. Erkenntnisse des Neuromarketing. – Rudolf Haufe Verlag, Planegg bei München, 2006.
Schneider W.: Deutsch für Kenner. – Gruner + Jahr, Hamburg, 1988/3.