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Speicherung von Internet-Verbindungsdaten untergräbt Informantenschutz

Staat erhält Zugriff auf Journalistenkontakte - Verband Deutscher Zeitschriftenverleger sieht Pressefreiheit gefährdet
marketing-BÖRSE | 12.12.2005
Die geplante europaweite Speicherung von Telefon-, Handy- und
Internetverbindungsdaten erregt nicht nur die Gemüter der betroffenen Provider. Sie untergräbt auch den Informantenschutz und
gefährdet damit nach einung des VDZ die Pressefreiheit.

Sollte die Richtlinie zur so genannten Vorratsdatenspeicherung wie geplant am 13. Dezember das EU-Parlament passieren, erhält der Staat Zugriff auf alle elektronischen Kontakte von und mit Journalisten jeweils für die
vergangenen sechs Monate. Damit werden Informanten massiv
abgeschreckt. Sie müssten befürchten, enttarnt zu werden, wenn
beispielsweise der Autor eines Insider-Beitrages - wie im Fall Cicero
- ins Visier der Staatsanwälte gerät. "Versiegen die Quellen, ist die
Presse blind. Die flächendeckende Vorratsdaten¬speicherung träfe die
Pressefreiheit in einem ihrer sensibelsten Punkte mit bislang
ungeahnter Intensität," sagte Wolfgang Fürstner, Geschäftsführer des
VDZ Verband Deutscher Zeitschriftenverleger heute in Berlin.

An das Europäische Parlament richtet der Verlegerverband den
Appell, sich nicht durch das übereilte Verfahren und den Ministerrat
unter Druck setzen zu lassen und die Richtlinie nicht in der
vorliegenden Form zu verabschieden. Gleichzeitig forderte er die
Bundesregierung auf, sich sowohl im Ministerrat als auch im Falle
einer Umsetzung an die im Koalitionsvertrag festgelegte Position zu
halten. Darin heißt es, die Regierung wolle "insbesondere" den
"besonderen Schutz der Journalisten sichern."

Die Vorratsdatenspeicherung, von der insgesamt 450 Millionen
EU-Bürger betroffen wären, geht auf eine Initiative Großbritanniens
zurück und soll zur Bekämpfung des Terrorismus dienen. "Gerade in
Zeiten des Terrorismus, in der der Staat Bürgerrechte vermehrt
beschränkt und geheim agiert, ist jede Demokratie auf eine effektive
und robuste Pressefreiheit angewiesen", betonte Fürstner. Statt die
Vorratsdatenspeicherung wie geplant umzusetzen, empfiehlt der VDZ,
erprobte Alternativen zu prüfen. So hat es sich in den USA bewährt,
dass die Behörden in begründeten Fällen die
Telekommunikationsunternehmen um Datenspeicherung bitten und dann
drei Monate Zeit haben, um einen richterlichen Beschluss zu erwirken.

Dagegen verbietet es die EU-Richtlinie in ihrer jetzigen Fassung
den Mitgliedsstaaten sogar, etwaige von ihren Verfassungen geforderte
Beschränkungen der Vorratsdatenspeicherpflicht zu beachten. Sollte
also das Bundesverfassungsgericht eine unbeschränkte sechsmonatige
Vorratsdatenspeicherpflicht etwa für die elektronische Kommunikation
mit Rechtsanwälten, Journalisten, etc. für grundrechtswidrig
erachten, wäre eine Beachtung dieses Grundrechtsschutzes mit der
Richtlinie unvereinbar.
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