Die Trends für Marketing und Vertrieb in 2023
Ein Fachartikel von Heidrun Luyt, CMO bei Pipedrive, und Sean Evers, VP Sales bei Pipedrive
‘Das Produkt verkauft sich von selbst’ war viele Jahre ein geflügeltes Sprichwort. Gerne wurde es verwendet, um den Einfluss von Marketing und (gerade) Sales auf den Unternehmenserfolg kleinzureden. Dann kamen die Corona-Krise und die 180-Grad-Wende. Plötzlich wurde deutlich: Ohne die Marketing- und Sales-Teams wurden viele der selbsternannten Verkaufsschlager zu Ladenhütern.
Erfreulicherweise erkannten dies viele Unternehmen schnell und steigerten ihre Marketing- und Vertriebs-Budgets – gegen den eigentlichen wirtschaftlichen Trend und Pandemie-bedingte Sparzwänge. In der Folge erreichten knapp drei Viertel aller Vertriebs- und Marketingteams ihre Umsatzziele; 40 Prozent übertrafen sogar die eigenen Erwartungen (State of Sales and Marketing). Damit halfen Marketer und Verkäufer, den Kahn in stürmischen Zeiten über Wasser zu halten.
Nun genug der Retrospektive, denn leider sieht es derzeit nicht so aus, als würde der Orkan in naher Zukunft abflauen: das wirtschaftliche Auf und Ab, die Inflation, anhaltende Lieferkettenengpässe, die anstehende Rezession.
Umso wichtiger, einen Blick auf die großen Vertriebs- und Marketing-Trends für das Jahr 2023 zu werfen – und wie diese beiden Abteilungen ihre Unternehmen auch im kommenden Jahr durch die raue See navigieren können.
1. Eine neue Produktivitäts-Welle
In den vergangenen Jahren genoss die Digitalisierung analoger Prozesse oberste Priorität. Das war natürlich (auch) Corona-induziert; schließlich kann man im Lockdown keine Kundenbesuche organisieren oder auf Messen Hände schütteln. Zudem hatten viele deutsche Firmen enormen digitalen Aufholbedarf und mussten sich an die Arbeit im Home Office anpassen.
2023 wird nun das Jahr, in dem wir einen analytischeren Blick auf die etwas wilde Digitalisierung der vergangenen Jahre werfen. Nicht, um sie wieder rückzuwickeln – sondern, um die Produktivität der Sales- und Marketing-Teams weiter zu steigern. Unternehmen werden ihre Sales-Prozesse auf den Prüfstand stellen und schauen, an welchen Stellschrauben sie drehen können. Dazu gehören etwa der Share of Wallet, der Liefereigenanteil und mehr.
Viele Unternehmen werden neue oder andere digitale Tools in Erwägung ziehen (müssen), um diese internen Prozesse durch Automatisierungs-Technologie, Workflow-Verbesserungen oder eine hybride Belegschaft zu verbessern.
2. Automatisierung hat (noch immer) Beine
Apropos Automatisierungs-Technologie – gerade diese wird im kommenden Jahr, auch aufgrund des Produktivitäts-Boosts, eine noch wichtigere Rolle in allen Marketing- und Sales-Teams einnehmen. Das Potenzial ist noch immer immens.
Und es ist auch bitter nötig, dass dies weiter erschlossen wird. Durch die rapide Digitalisierung des Vertriebs der vergangenen Jahre ist das Sales-Volumen innerhalb der Teams deutlich gewachsen. Platt gesagt: Es lassen sich am Tag mehr Zoom-Meetings führen, als Außendienstler von Kunde zu Kunde fahren können.
Vertriebler brauchen Zeit, um dieses gestiegene Lead-Volumen abzuarbeiten. Automatisierungs-Technologie wird dementsprechend 2023 weniger wertschöpfende Aufgaben wie Admin-Arbeit oder Datenpflege vollends übernehmen. Gerade jene Tools, die (unstrukturierte) Daten verknüpfen und in Echtzeit aufbereiten und präsentieren, werden boomen.
3. Chatbots (ja, richtig gelesen) und Conversational Commerce
Über Chatbots wurde die vergangenen Jahre wahrlich genug geschrieben; viele rollen nun vielleicht sogar mit den Augen. Doch 2023 ist das Jahr, in dem Chatbots in Unternehmen jedweder Größenordnung ankommen. Die Technologie ist in den vergangenen Jahren weit gekommen und inzwischen so weit, dass auch kostengünstige Versionen eigenständig und fortschrittlich funktionieren.
Genau rechtzeitig für den derzeit heißen Trend: Conversational Commerce & Marketing. Kunden wollen Individualität und Austausch; sie wollen das Gefühl des stationären Shopping-Erlebnisses online. Und Chatbots werden jenes Mittel sein, um auch auf der Website und in der digitalen Kundenansprache das persönliche Gefühl zu vermitteln. Immerhin geben Leads im Schnitt 40 Prozent mehr als geplant aus, wenn das Unternehmen ihnen online ein persönliches Einkaufserlebnis ermöglicht (Google & BCG).
4. Marketing und Sales – das war einmal
Was heraussticht: Bislang ist die ganze Zeit von Marketing- oder Sales-Teams die Rede, dabei wird das 2023 nicht mehr oft der Fall sein. Stattdessen werden (und müssen) Marketing- und Sales-Teams verschmelzen. Smarketing heißt das Zauberwort.
Denn zum einen aggregieren und nutzen die Teams derart viele Daten untereinander und ihre Arbeitsschritte sind inzwischen ohnehin derart miteinander verwoben – zum anderen wird die verstärkte (gemeinsame) Nutzung von KI-basiertem Trend-Spotting oder Aktivierungsmaßnahmen diese Entwicklung befeuern.
Und auch aus KPI-Sicht macht es Sinn, Marketing und Sales zu kombinieren. Denn eine aktuelle Pipedrive-Studie zeigt: diejenigen Sales und Marketing Experten, die die Zusammenarbeit der beiden Abteilungen als gut bezeichnen, erzielten dieses Jahr ein höheres Wachstum als ihre unzufriedenen Kollegen (47 Prozent vs. 20 Prozent).
5. Marketing in B2B und B2C werden sich ähnlicher
Bislang fanden B2B- und B2C-Marketing in ihren eigenen Welten statt; das ändert sich. Denn inzwischen sind etwa Subscription oder Cashback-Modelle schon lange aus der B2C- in die B2B-Welt gesickert – und dementsprechend auch ihre Vermarktung. Außerdem wird es während der anhaltenden Krise(n) auch in B2B immer wichtiger Preise, individuelle Vorteile oder Benefits zu bewerben; klassische B2C-Marken-Kommunikation. Schließlich geben diese in Zeiten sinkender Budgets immer öfter den Ausschlag. Handelstypische B2B-Marketing-Traits wie „Vertrauenswürdigkeit” oder „Bodenständigkeit” bleiben natürlich wichtig, ihre Bedeutung wird aber abnehmen.