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Programmatic: Gefahr schädlicher Umfelder

Für den Werbeerfolg ist neben der Reichweite auch die Qualität der Publisher entscheidend. Whitelisting und Customized Channel sichern Brand Safety.
Lars Hense | 17.12.2018
Für Programmatic Advertising eignen sich scheinbar viele Publisher. © Pixabay / JuralMin
 

Immer wieder stehen Werbetreibende vor der Herausforderung, dass ihre Anzeigen auf anstößigen oder gar rechtswidrigen Seiten auftauchen, beispielsweise durch die Schaltung von Werbespots vor extremistischen Videos auf YouTube oder der Platzierung von Anzeigen auf Islamisten-Webseiten. Vorfälle dieser Art häufen sich aktuell erneut. Einige der größten werbetreibenden Unternehmen in Deutschland wie die Postbank, Fielmann oder Deichmann waren schon betroffen - und das, obwohl extremistische Umfelder bei allen genannten Werbetreibenden explizit vertraglich ausgeschlossen wurden.

Die immensen Reichweiten, die vielfach propagierte Leichtigkeit bei der Anzeigenbuchung und die Möglichkeit zur präzisen Zielgruppendefinierung sind nur einige der Faktoren, die viele Werbetreibende davon überzeugen, ihre Marketingbudgets in soziale Medien fließen zu lassen. Problematisch dabei ist, dass große Namen, wie Facebook und Google bei derartigen Versprechen schnell und ohne große Reflektion mit der Verbreitung von Anzeigen und damit auch mit der Bewahrung der Brand Safety betraut werden. Sie profitieren an dieser Stelle davon, dass das Online-Werbeökosystem immer komplexer wird und Werbetreibende die starke Fragmentierung und Unübersichtlichkeit als Vorwand dafür nutzen, zur simpleren Social Media-Werbung oder Ausspielung über Google AdSense zu greifen.

Wer brand-safe agieren möchte, darf sich nicht blenden lassen


Doch genau hier liegt der Fehler: Es ist unbedingt notwendig, dass Unternehmen sich Gedanken darüber machen, wo sie werben möchten, und nicht nur auf Einfachheit setzen. Zumindest dann, wenn sie den Anspruch haben, brand safe zu agieren. Es ist daher unbedingt notwendig, sich auch für das Online-Marketing eine klare Unternehmensidentity zuzulegen, die auf den individuellen Forschungsergebnissen zu Zielgruppen und Markenbotschaften basiert.

Unternehmen müssen im Vorfeld von Anzeigenbuchungen genaue Richtlinien definieren, wo und in welchem Umfeld sie werben möchten und welche Publisher sie mit ihren Werbegeldern unterstützen wollen. Es reicht dabei also nicht, die Buchung lediglich nach Reichweite des Publishers zu entscheiden, sondern bedarf einer strengen Qualitätskontrolle des jeweiligen Mediums. Eine Studie von Inskin hat gezeigt, dass die Performance der Werbemittel steigt, wenn sie auf (Premium-)Websites geschaltet werden, die selbst eine starke, vertrauenswürdige Marke darstellen. Premium-Umgebungen werden in diesem Zusammenhang als solche definiert, die einen Premium-Preis rechtfertigen, weil sie Anzeigen durch den sogenannten Halo-Effekt besser performen lassen. Das heißt, die positive Wahrnehmung der Nachrichtenmedien färbt auf die Sympathie zur werbenden Marke in Bezug auf Marken-Empathie, gefühlte Wärme/Nähe und Kauferwägung ab.

Je nach dem, wie die Zielgruppe aussieht, kann die Art der Inhalte eines Premium-Publishers stark variieren. Es kann ein Online-Nachrichtenmedium wie "Die Zeit" oder eine Promi-Newsseite wie "InTouch" sein, solange das Medium selbst eine Marke ist, der die Leser vertrauen.

Heute wichtiger denn je: Eine Onlinemarketing-Identity


Werbetreibende Unternehmen bzw. Brands können sich im Hinblick auf die aktuelle politische Lage in Europa und der Welt heutzutage nicht mehr hinter Unwissenheit im Online-Marketing verstecken. Politische Debatten im Internet, speziell auf den sozialen Netzwerken, nehmen stetig zu. Eine Vielzahl von extremistischen Gruppierungen nutzt gezielt diese Medien, um ihre Inhalte zu verbreiten und ein großes Publikum zu erreichen. Gerade in Zeiten heißer politischer Diskussionen, auch auf sozialen Medien wie Facebook und Twitter, müssen sich Unternehmen mehr denn je bewusst sein, dass sie automatisch (politische) Signale in die Welt senden, wenn sie Plattformen und Publisher aller Art durch Anzeigenbuchungen finanzieren – auch wenn dies ungewollt geschieht.

Die gezielte Aussteuerung von Werbung im Zeitalter von Programmatic ist ein sehr komplexes Thema. Deswegen investieren Dienstleister viel Zeit und Budget in die Erforschung der Dynamiken. Setzen Werbetreibende auf Targeting anhand von User-Matching oder thematischer Relevanz á la Adsense, kann es passieren, dass über die Buchungsplattform auch Seiten angeboten werden, die als Werbeumfelder ungeeignet sind. Ein Grund hierfür ist zum Beispiel, dass solch fragwürdiges Inventar während der Aufnahmeprüfungsverfahren für neue Seiten in Programmatic Platforms nicht von den Algorithmen oder Crawlern als problematisch erkannt wurde. Diese entsprechen dann zwar den Kriterien von Anbietern wie Google Adsense bezüglich der thematischen Relevanz, sind aber nicht immer qualitätsgeprüft.

Wie können Unternehmen Brand Safety sicherstellen?


Um in Zukunft die eigene Brand Safety nicht weiter zu gefährden, sollten werbetreibende Unternehmen ihre Anzeigen über Netzwerke buchen, die Whitelisting und Customized Channel für die Kampagnenauslieferung anbieten, also vorher abgestimmte Listen von Seiten, die vom Kunden zur Auslieferung freigegeben sind, anstatt über Blacklisting zu versuchen, problematisches Inventar zu vermeiden und sich dabei auf Mechanismen verlassen zu müssen, die gegebenenfalls getäuscht werden.

In Deutschland muss, wie in vielen anderen Märkten bereits gängige Praxis, auch in der Online-Werbewelt ein viel höheres Qualitätsbewusstsein geschaffen werden. Ein Qualitätsgütesiegel für Publisher und Technologieunternehmen ist unabdingbar. Durch ein solches Siegel bekommen Werbetreibende die Chance, sich und ihre Marken zu schützen und nicht Gefahr zu laufen, ihre Anzeigen auf unseriösen oder imagefeindlichen Seiten wiederzufinden. Dies führt auch zu mehr Transparenz und Sicherheit in der Online-Werbewelt, wonach viele Marktteilnehmer schon lange streben.