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Gezieltes Online-Advertising mit Targeting-Methoden

Was tun, damit die Werbung, die einen Nutzer erreichen soll, auch wirklich in einem relevanten Umfeld geschaltet wird?
Torsten Engelken | 19.10.2011

Dieser Fachartikel erschien im Leitfaden Online-Marketing Band 2:
http://TopOnlineExperten.de



Spitz platzierte Werbung funktioniert besser als Kampagnen nach dem Gießkannenprinzip. Diese Binsenweisheit gilt natürlich auch für das Internet – und dennoch wird der Großteil der Werbung im Netz heute nicht gezielt eingeblendet. Werbekampagnen im Internet beinhalten zudem viel mehr Potenzial, was mit „Offline“-Medien nicht erreicht werden kann. Die Messbarkeit der interaktiven Vorgänge macht es möglich, sofort auf Veränderungen zu reagieren. Doch was tun, damit die Werbung, die einen Nutzer erreichen soll, auch wirklich in einem relevanten Umfeld geschaltet wird?

Durch das kontinuierliche Wachstum der Internetnutzung sowie des Internet-Contents wird es immer notwendiger, das Umfeld nach Relevanz zu filtern. Die Flut an neuen Meldungen und Websites vermittelt den Anschein, dass es unmöglich ist, deren Inhalt schnell und präzise zu erfassen. Werbung in falschen Themenumfeldern scheint deshalb unvermeidbar zu sein. Die effiziente Lösung für Werbetreibende heißt Targeting. Doch was steckt genau dahinter, welche Methoden gibt es, worin unterscheiden sie sich und welche ist für „meine“ Kampagne die Richtige?


Targeting und seine Bedeutung

Unter Targeting versteht man das auf bestimmte Zielgruppen abgestimmte Schalten und Einblenden von Werbebannern auf Websites. Es wird also versucht, möglichst individuell für einen User die vermeintlich attraktivsten Banner einzublenden. Dabei werden Inhalte, Produktnamen, Bereiche einer Website, Herkunft des Besuchers oder auch bestimmte Schlagworte (Keywords) berücksichtigt. Idealerweise wird ein Klick auf diesen Banner sowie weitere Aktionen wie der Erwerb von Produkten auf der Ziel-Website erreicht.

Neben den klassischen Targeting-Möglichkeiten von Ad-Servern zählen heute Keyword (Wortbasiertes), Contextual und Behavioural Targeting zu den weiteren, user- und umfeldorientierten Methoden der Platzierungsselektion. Allerdings sind diese Methoden nicht immer präzise, so dass Fehlplatzierungen und Streuverluste nicht ausgeschlossen werden können. Deshalb setzen Anbieter seit einiger Zeit mit dem semantischen Targeting die technische Evolution fort, um optimale Platzierungen im Internet für Werbekampagnen zu garantieren.

Am einfachsten zu vergleichen sind die verschiedenen Targeting-Methoden mit einem Werkzeugkasten. Jeder Mediaplaner benötigt ein Set an Targeting-Optionen sowie für jede Kampagne sein eigenes, passendes Werkzeug, um maximales Potenzial sowie optimale Relevanz erreichen zu können.


Relevanz als Basis für erfolgreiche Onlinewerbung

Relevant ist etwas, wenn es in einem bestimmten Zusammenhang von Bedeutung ist. Relevanz in der Werbung zu schaffen, heißt also, den Konsumenten genau dann mit der Werbebotschaft zu erreichen, wenn diese ihm in irgendeiner Form wichtig erscheint. Die Schlussfolgerung daraus ist, dass relevante Werbung grundsätzlich besser funktioniert als wahllos gestreute Maßnahmen. Für den Werbetreibenden ist die richtige Platzierung seiner Anzeigen und Kampagnen also ein wesentliches Kriterium für den Erfolg. Doch mit welchen Mitteln ist Relevanz zu erreichen?

In der Onlinewerbung stehen dem Werbetreibenden diverse Methoden zur Verfügung, die auf unterschiedlichen Prinzipien beruhen. Die folgenden Wege werden von Agenturen und Vermarktern angeboten, um für Relevanz zu sorgen und eine effektive Platzierung von Werbemaßnahmen zu gewährleisten.


Zielgruppenanalyse

Die Zielgruppe eines Unternehmens wird nach bestimmten Daten und Charakteristika definiert, zum Beispiel junge autobegeisterte Männer im Alter von zwanzig bis dreißig Jahren. Im nächsten Schritt werden Portale gesucht, in denen sich diese Zielgruppe mutmaßlich bewegt. Durch die Buchung auf diesen Websites hofft der Werbetreibende, sein Zielpublikum ansprechen zu können oder Neukunden zu gewinnen.

Das Prinzip beruht auf verallgemeinernden Schlussfolgerungen, die nicht unbedingt zutreffen müssen und kein genaues Wissen über den User beinhalten. Somit können hier mitunter große Streuverluste entstehen, da es an der nötigen Relevanz fehlt.


Brand-Transfer

Verkörpert eine Marke ein gewisses Image, so werden für Werbemaßnahmen Portale gebucht, die diesem Image entsprechen oder zumindest dazu passen. Der Werbetreibende hofft so, seine Zielgruppe dort zu erreichen.

Auch diese Methode trifft oftmals nicht exakt. Ein Brand-Transfer ist eine willkürliche Übertragung, die nicht unbedingt logischen Gesetzen folgt, sondern eher intuitiv funktioniert. Somit muss der Werbetreibende auch hier Streuverluste einkalkulieren.

Umso wichtiger ist es für Werbetreibende, diese Streuverluste so gut wie möglich zu minimieren, was mit der Buchung von Targeting-Methoden möglich ist. Diese finden und selektieren relevante Themenumfelder im Netz, bevor die Werbemittel platziert werden. Das Ergebnis ist, dass Brands an potentielle Endverbraucher gerichtet beziehungsweise spezifische Zielgruppen mit attraktiven Werbeangeboten angesprochen werden.


Targeting-Methoden

Im Allgemeinen teilt man die verschiedenen Targeting-Methoden in technisches Targeting und User- und Umfeld-Targeting ein.


1. Technisches Targeting
Beim technischen Targeting stehen die technischen Aspekte zur Zielgruppenfindung im Fokus. Die Werbemittel werden auf Software- und Hardwareumgebung zugeschnitten. Das heißt, dass zum Beispiel die technischen Daten der Bildschirmauflösung des Endgerätes oder die Möglichkeiten des Betriebssystems berücksichtigt werden. So ist die Werbung für jeden Endverbraucher optimal zu sehen. Genauso bilden die Geschwindigkeit des Internetzugangs, der Provider oder die Uhrzeit mögliche Targeting-Optionen. So können lange Ladezeiten (durch Bandbreiten-Targeting) vermieden, Werbemittel korrekt angezeigt (durch Browser-Targeting) und regionale Werbung lokal ausgeliefert (durch Geotargeting) werden. Die Einhaltung einer bestimmten Kontaktdosis für eine Werbekampagne gehört in dieser Form ebenfalls zum technischen Targeting.

Frequency-Capping
Beim Frequency-Capping wird die Häufigkeit von Werbeeinblendungen kontrolliert, so dass eine gesteuerte Auslieferung eines Werbemittels besteht. Zum Beispiel kann ein Frequency-Cap von fünf Einblendungen pro Unique Client nach Anzahl und Zeiteinheit gebucht werden. Die Werbemittelauslieferung wird demnach pro Nutzer in der Kontaktfrequenz gesteuert, wobei die Werbewirkung beeinflusst wird.

Der Vorteil bei der Methode des technischen Targetings ist, dass der User nicht übermäßig die gleichen Werbemittel angezeigt bekommt und so nicht mit Ablehnungsverhalten auf die Kampagne reagiert.

Uhrzeit- und Wochentag-Targeting
Targeting nach Uhrzeit beinhaltet eine zeitliche Ausarbeitung von Werbekampagnen. Um bestimmte Zielgruppen zu erreichen, wird im Vorfeld die Tageszeit analysiert, in der der Großteil online ist. Surft eine Gruppe vorrangig nachmittags, wird zum Beispiel ein Zeitfenster von 15 - 18 Uhr für die Auslieferung von Werbung festgelegt.

Bandbreiten-Targeting
Beim Targeting nach Bandbreite wird die Auslieferung von digitaler Werbung an die Geschwindigkeit der Internetverbindung der Nutzer angepasst. Bei dieser Methode werden beispielsweise bestimmte Zielgruppen wie DSL-User angesprochen. Des Weiteren werden umfangreiche Werbemittel bei Schmalbandnutzern nicht angezeigt, da es zu langen Ladezeiten kommt. Wenn der Aufbau der Werbung zu lange dauert, wird der Ladevorgang höchstwahrscheinlich abgebrochen, so dass der Einsatz von Werbeplatzierungen eine Verschwendung ist.

Geo/Regio-Targeting
Die Werbemittel werden anhand von IP- und MAC-Adressen der User an spezifische Zielgebiete ausgeliefert. Dabei wird der ungefähre Standort der Nutzer festgestellt, so dass zum Beispiel Werbeanzeigen von Unternehmen eingeblendet werden, die nur regionale Endverbraucher als Zielgruppe haben. Somit wird garantiert, dass die Werbung ausschließlich relevante User erreicht. Mit Hilfe des Geo/Regio-Targetings können Zielgruppen auf Länder, Regionen und Städte reduziert werden. Durch die präzise Platzierung von Werbung in regionalen Umfeldern werden Streuverluste vermieden. Bewirbt ein Veranstalter einen lokalen Event in Hamburg, wird die Anzeige nur den Usern angezeigt, die dem Einzugsgebiet Hamburg zugeordnet werden können.

Browser-Targeting
Das Browser-Targeting liefert digitale Werbung nach Browsertyp aus. Nach detaillierter Analyse und Beobachtung einer Zielgruppe wird ermittelt, welchen Browsertyp diese benutzt. Verwendet sie zum Beispiel hauptsächlich Firefox, so wird die Onlinewerbung nur bei Nutzung dieses Browsers eingeblendet. Ebenso eignet sich Browser-Targeting für die Bewerbung von Browser-Plug-ins oder Updates, die ausschließlich einen Browsertyp betreffen. Zudem können Software-Hersteller, die ihr eigenes Browserprogramm bewerben wollten, diese Targeting-Art nutzen, um User von Programmen der Mitbewerber zu erreichen.

Betriebssystem-Targeting
Beim Betriebssystem-Targeting wird das verwendete Betriebssystem der User ermittelt. Wird Mac OS X von Apple verwendet, wird beispielsweise nur Werbung für Apple-Software oder Zeitschriften zum Thema angezeigt. Weitere Beispiele sind Anzeigen für Updates oder neue Betriebssystemversionen.


2. User- und Umfeld-Targeting
Zum User- und Umfeld Targeting zählen zum Beispiel Channel-Buchungen, Keyword Targeting, Behavioural Targeting oder semantisches Targeting.

Traditioneller Channel
Ein konventioneller Channel bündelt spezialisierte Websites, zum Beispiel zum Thema Auto, mit Website-Bereichen, die das Thema behandeln. Ein Automobilhersteller bucht nach diesem Prinzip beispielsweise Anzeigen auf einem reinen Automobilportal, schaltet jedoch außerdem Werbung in den Autorubriken von Nachrichten- oder Consumerportalen.

Bei Buchung eines Channels wird die Untergliederung von Websites nicht berücksichtigt, sondern die Website wird übergreifend belegt. Damit gehen Feinheiten wie die Platzierung auf den passenden Unterseiten verloren, die eine größere Relevanz für den User bedeuten können. Grundsätzlich beruht das Channelprinzip auf der Annahme, dass User, die sich für Automobilportale und -seiten interessieren, ebenfalls offen für Produktwerbung zu diesem Thema sind. Durch das Surfen auf diesen Portalen kann der Werbetreibende zwar das Interesse voraussetzen, dieses muss jedoch nicht unbedingt eine Kaufabsicht beinhalten.

Durch das Platzieren der Werbung in nur themenrelevanten Umfeldern kann ein Anbieter sicher gehen, dass er Zielgruppen erreicht, die sich für ein bestimmtes Thema interessieren. Für das Beispiel der Autowerbung bedeutet dies, dass der Werbetreibende davon ausgehen kann, dass sich autoaffine Endverbraucher zum Beispiel auf Autoportalen aufhalten. Genauso ist aber garantiert, dass weitere potentielle Zielgruppen erst gar nicht erreicht werden, da die Werbung in einem limitierten Umfeld geschaltet wird. Auf Internetseiten, die sich mit Themen wie Technik, Unterhaltung oder auch Sport beschäftigen, halten sich ebenfalls Endverbraucher auf, die an Autos und Zubehör interessiert sein könnten.

Keyword Targeting
Keyword Targeting bedeutet: Werbeansprache von Usern zum Zeitpunkt ihrer Beschäftigung mit einem gewünschten Thema. Gibt ein potenzieller Endverbraucher im Internet in Suchmaschinen oder in Branchen- und Telefonbüchern bestimmte Suchbegriffe ein, wird ihm passende Werbung angezeigt. Die jeweiligen Keywords werden vorher von den Werbetreibenden für die Kampagnen bestimmt. Handelt es sich beispielsweise um Werbung aus dem Bereich Tourismus, werden Begriffe aus den Kategorien Reise, Reisebüros, Hotels, Fluggesellschaften oder Flughäfen gewählt.

Allerdings kann es schnell zu Fehlplatzierungen von Werbeanzeigen kommen, da viele deutsche Worte mehrere Bedeutungen haben. Sucht ein User nach der Automarke „Golf“, werden nicht nur Suchergebnisse zum Thema Automobil aufgelistet, sondern auch Seiten über den Golf von Mexiko oder Golfsport.

Contextual Targeting
Beim Contextual Targeting werden ebenfalls im Vorfeld einer Werbekampagne bestimmte Wörter ausgewählt, die zum Inhalt der Anzeigen passen. So werden Werbeanzeigen eines Automobilherstellers zum Beispiel als In-Text-Anzeigen in redaktionellem Content unter anderem auf das Wort „Reifen“ geschaltet. Dabei geht Contextual Targeting einen Schritt weiter als ein Keyword Targeting, da nicht nur ein einzelnes Wort erfasst wird, sondern auch vereinzelte Worte in der näheren Umgebung untersucht werden.

Der User liest einen Bericht zu einem bestimmten Thema und wird mit der vermeintlich passenden Werbung angesprochen. Problematisch kann die Methode dann sein, wenn die Werbung in einem negativen Kontext geschaltet wird. So können die Worte „Reifen“, „Motor“ und „Auto“ in einem redaktionellen Bericht auch im Zusammenhang mit einem dramatischen Autounfall genannt werden. Der Adserver erkennt hier aber den Sinnzusammenhang zwischen den Worten nicht und wird dementsprechend die Werbung des Autoherstellers sehr wahrscheinlich auch neben diesem Bericht schalten. Die Werbeanzeige löst durch diese Fehlplatzierung eine negative Reaktion des Users aus. Zudem kann es sich im nächsten Absatz des Artikels um ein völlig anderes Thema handeln, so dass die Werbeanzeige nicht auf den tatsächlichen Inhalt der Webpage abgestimmt ist.

Behavioural Targeting
Behavioural Targeting basiert auf der Analyse des Verhaltens eines potenziellen Kunden im Internet. Die Behavioural Targeting-Technologie analysiert den Inhalt der bisher besuchten Seiten, die Suchergebnisse sowie die bisherige Interaktion des Kunden mit Werbebannern. Auf der Basis dieser Daten wird das Surfverhalten des Kunden untersucht und zu einem individuellen Profil zusammengefügt. Technisch betrachtet funktioniert die Technologie wie folgt: Eine besuchte Seite oder ein Suchbegriff wird mit einem Cookie versehen. Wird im Internet nach Veranstaltungen gesucht, wird dieser Surfvorgang gespeichert und der User bekommt auch außerhalb der Unterhaltungsseiten Werbeangebote angezeigt, die auf Events hinweisen. Falls sich der Nutzer noch auf keine Veranstaltung festgelegt hat, werden ihm so kontinuierlich weitere Empfehlungen und Angebote präsentiert.

Die so gewonnenen Interessen werden wie in einer Algorithmuskette registriert und summiert, so dass anschließend Werbung passend zum gewonnenen Profilbild während der Internetnutzung angezeigt wird. Bei einem Internetuser, der sich beispielsweise viel auf Auto-Websites aufhält, geht man davon aus, dass er sich für Autos interessiert. Auf Grund dieses Surfverhaltens werden dem Kunden später Werbeanzeigen von Automobilherstellern oder anderen autorelevanten Produkten auch in autofremden Umfeldern angezeigt.

Daten aus Umfragen oder Marktforschungen werden gleichzeitig zur Unterstützung hinzugezogen. Dazu zählen Erhebungen wie die der Arbeitsgemeinschaft Onlineforschung e.V. (AGOF) und Nielsen Net-Ratings; oder auch klassische Marktforschungen, die auf den Onlinebereich übertragen und angepasst werden.

Behavioural Targeting bedeutet demnach mehr Relevanz der Werbung für den Nutzer durch Ausrichtung auf seine Interessen. Durch die spätere Schaltung der Werbung im themenfremden Umfeld ist zu hinterfragen, ob die geringere Relevanz in der aktuellen Nutzungssituation für das jeweilige Produkt und Werbeziel ausreicht. Auch datenschutzrechtliche Aspekte sind hier zu beachten, um den Schutz personenbezogener Daten sicherzustellen.

Die zeitliche Komponente spielt in diesem Fall eine entscheidende Rolle. Der User hat sich zwar für ein bestimmtes Thema interessiert, möglicherweise hat er sich jedoch kurze Zeit später für ein Produkt entschieden und dieses gekauft. Werbung, die ihm nach dem Kauf angezeigt wird, ist für diesen Endverbraucher nicht mehr relevant. Allerdings wird das „Verhalten“ von potentiellen Kunden weiterhin beobachtet und zusätzliche Interessen zu den Profilen hinzugefügt, so dass sich weitere Möglichkeiten ergeben können.

Eine Variation des Behavioural Targetings ist das integrierte Targeting. Zu den Kriterien des Behavioural Targetings können Möglichkeiten aus anderen Bereichen hinzugefügt werden, so dass der richtige Mix für eine Kampagne gefunden wird. Unter anderem werden Aspekte wie Regionalität, soziodemografische Aspekte oder Interessen berücksichtigt. Ein Nachteil kann aus der Verwendung von zu vielen Daten entstehen. Entweder sind einige falsch oder ein Profil wird zu umfangreich, so dass während eines Kampagnenverlaufs Veränderungen vorgenommen werden müssen.

Semantisches Targeting
Bis dato konnte mittels wortbasiertem Targeting die Werbung zwar im Umfeld zu den vom Werbetreibenden gewünschten Keywords platziert werden, ohne jedoch den Sinnzusammenhang (Kontext) zu verstehen. Im Deutschen beispielsweise gibt es mehrere Bedeutungen für dieselben Wörter, zum Beispiel Schimmel – bezogen auf das Pferd oder den Pilzbefall bei Lebensmitteln. Von solchen Beispielen gibt es unzählbare und die Wahrscheinlichkeit, dass die Werbung in einem völlig anderen Bedeutungszusammenhang platziert wird als der Werbetreibende will, ist enorm hoch.

So wird mit Contextual Targeting häufig Werbung für Last Minute Reisen technisch korrekt neben Berichten über Naturkatastrophen in Urlaubsorten platziert – inhaltlich daher völlig unpassend. Solche markenschädigenden Platzierungsfehler kommen regelmäßig, auch mit klassischer Planung, selbst auf Premium-Websites vor. Eine Autowerbung, die neben einem Artikel über Sicherheitsmängel, Stau oder gar Autounfälle platziert wird, verursacht höchstwahrscheinlich mehr Schaden als Nutzen für die Marke.

Durch das weiterhin starke Wachstum der Internetnutzung und die ununterbrochene Produktion von neuen Website-Inhalten wird ein spezielles Filtern der Seiten und deren Content immer notwendiger. Täglich entstehen unzählige Meldungen, inklusive vieler Negativschlagzeilen, deren Inhalte unmöglich auf die Schnelle zu erfassen sind. Daher sind im Netz Fehlplatzierungen von Werbebannern in Themenumfeldern, die für die beworbene Marke irrelevant oder schädigend sind, an der Tagesordnung. Ein Beispiel für Negativschlagzeilen ist das Thema „Fliegen“. Nicht nur in den TV-Nachrichten haben Berichte zu diesem Thema eine große Präsenz, sondern auch im Internet. Prominente Beispiele für diese Art der Berichterstattung sind: das Aussetzen des Flugverkehrs in Europa durch die Aschewolke des isländischen Vulkans Eyjafjalla oder Flugzeugabstürze, wie der des polnischen Präsidenten in Smolensk.

Die Werbung einer Fluggesellschaft oder anderer Werbetreibender aus der Reisebranche wie Hotelketten wird daher neben einer solchen Katastrophenmeldung einen kontraproduktiven Effekt haben. Denn wer bucht schon einen Flug oder plant eine Reise, wenn er gleichzeitig von einem Flugzeugunglück liest? Für Werbetreibende ist es daher wichtig, die geeignete Zielgruppe zu erreichen, ohne dass Anzeigen in derlei kontroversen Umfeldern erscheinen. Es gilt hier, die Begriffe und Inhalte zu identifizieren, die durch diese Vorfälle negativ aufgeladen sind.

Die Lösung dieser Problematik bietet das sogenannte semantische Targeting. Im Vergleich zum wortbasierten Targeting sucht dieses Verfahren nicht nur nach einzelnen Keywords, sondern analysiert in Sekundenbruchteilen den ganzen sichtbaren redaktionellen Text einer Webpage. Dabei werden Schwerpunktthemen berücksichtigt und passende Kampagnen nur bei Relevanz eingeblendet.

Die Methode des semantischen Targetings ist ein kontinuierliches Projekt, da sich die Sprache stets verändert. Es werden immer neue Kategorien inklusive Bezugswörtern und Bedeutungen von Sprachwissenschaftlern rund um den Globus in eine Datenbank eingegeben. Doch nicht nur einzelne Wörter sind für das Erkennen von Themenumfeldern relevant. Auch weitere Wortbedeutungen, Synonyme, Metaphern, Sprichworte und Redewendungen werden mit linguistischer Expertise zusammenführt. Durch die ständige Weiterentwicklung und Erweiterung wird die Technologie für immer mehr Werbetreibende verfügbar gemacht. Im Detail bedeutet das, dass Werbekampagnen nicht nur in offensichtlichen Umfeldern platziert werden.

Für einen Werbetreibenden zum Beispiel aus der Reisebranche wird die Werbung somit nicht nur auf Internetseiten mit dem Thema Tourismus platziert. Durch die exakte Analyse des ganzen Inhalts werden auch relevante Webpages in den Bereichen Freizeit, Hobby, Unterhaltung und News- und Special-Interest-Portale angesteuert. Das heißt, dass nur optimale Platzierungen, auch im sogenannten Long Tail, gewährleistet werden. Zusätzlich wird eine Kampagne kontinuierlich beobachtet, so dass sie auf täglicher Basis optimiert werden kann. Dabei werden diejenigen Themenkategorien von der Auslieferung ausgeschlossen, die keine optimale Performance erzielen.

Semantisches Targeting bedeutet näher an den Bedürfnissen der Mediaentscheider zu sein als konventionelle Targeting-Technologien. Durch das exakte inhaltliche Verständnis jeder Webpage filtert semantisches Targeting für jeden Werbetreibenden nur die Top-Platzierungen heraus und umschifft markenindividuell kritische Umfelder. Auch für den User wird die Werbung relevanter, denn er erhält sie exakt zum Zeitpunkt seiner Beschäftigung mit dem jeweiligen Thema.

Targeting liegt auf alle Fälle im Trend und hat, wenn es richtig gewählt ist, das Potenzial, die Zielgruppenansprache nahezu jeder Kampagne zu optimieren. Wichtig ist jedoch, dass eine Kampagne ihr passendes Werkzeug erhält. Noch verhalten sich Agenturen und Werbekunden zögerlich. Dies zeigt eine Umfrage, die die Internet World Business und ad pepper media bei 511 Mediaentscheidern durchgeführt haben. Im Vergleich zu den Jahren davor hat der Einsatz von Targeting zwar insgesamt zugenommen; die Tatsache, dass die verwendeten Technologien sehr verschiedenartig sind, weist jedoch daraufhin, dass Targeting immer noch nicht hinreichend erklärt worden ist. Onlinewerbung wird jedoch durch Targeting um ein Vielfaches effizienter werden, wobei insbesondere semantisches Targeting in der Zukunft eine entscheidende Rolle spielen wird.

Ziel ist es, den User genau dann mit der Werbung anzusprechen, wenn er sich mit dem jeweiligen Thema beschäftigt. Dies unterscheidet semantisches Targeting von Behavioural Targeting, wo auf Grund des Onlineverhaltens eine zeitversetze Einblendung der Werbemaßnahmen erfolgt. Somit wird das Risiko der zwischenzeitlichen Irrelevanz umgangen. Im Vergleich zum Channel werden beim semantischen Targeting gemeinsam mit dem Werbetreibenden sehr präzise Themenumfelder festgelegt, in denen die Werbeschaltungen durchgeführt werden sollen. Beim Channel hingegen wird ein übergreifendes Thema angesteuert, das Targeting ist damit grober.


Entwicklung des semantischen Targetings

Die semantische Targeting-Technologie ist das Ergebnis eines zwölfjährigen linguistischen und technischen Forschungs- und Entwicklungsaufwands unter der Leitung von Prof. Dr. David Crystal. Dieser ist einer der bedeutendsten Sprachwissenschaftler der Welt. Er verfolgt das Ziel, sich von bestehenden Targeting-Systemen erfolgreich und dauerhaft abzugrenzen und einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil zu erlangen. Werbetreibende, die semantisches Targeting nutzen, profitieren von verschiedenen Vorteilen, die sowohl für aktuelle Kampagnen als auch für spätere Werbemaßnahmen Erfolg versprechen.


Präzise thematische Steuerung

Der Werbetreibende hat die Möglichkeit, thematische Kategorien festzulegen, die nach zahlreichen Unterbereichen spezifiziert und somit extrem spitz gewählt und kombiniert werden können. Das Thema „Auto” kann beispielsweise auf die Ebenen „Zubehör” oder „Reifen” heruntergebrochen werden. Der Werbetreibende erhält die Garantie, dass seine Anzeigen nur in den gewünschten Umfeldern ausgeliefert werden.

Diese Differenzierung ist zum Beispiel für einen Reifenhändler entscheidend, da er von einer gesteigerten Wahrnehmung ausgehen kann, werden seine Anzeigen in speziellen „Reifen“-Umfeldern angezeigt. Anstelle der groben Belegung einzelner Websites, Keywords oder Rubriken selektiert die Methode des semantischen Targetings einzelne, thematisch exakt passende Webpages im semantischen Network. Konkret bedeutet das, wenn ein Endverbraucher sich über den Erwerb von „Reifen“ erkundigt, werden ihm passende Angebote dazu gemacht. Somit entstehen kaum Streuverluste und der Konsument erhält die Werbebotschaft exakt zum Zeitpunkt der Beschäftigung mit dem entsprechenden Thema.


Komplettbesetzung des gewünschten Themas

Ein weiterer Vorteil ist die Komplettbesetzung eines Themas. Die semantische Targeting-Technologie selektiert und bündelt verschiedene relevante Umfelder. So muss der Werbetreibende sich nicht allein auf spezialisierte Websites konzentrieren, sondern erreicht alle für das Thema relevanten Webpages; dazu gehören Nachrichtensites genauso wie General-Interest-Portale. Das bedeutet, dass ebenso Bereiche im Netz angesteuert werden, die für den Werbetreibenden nicht als offensichtliche Werbeplätze gelten (Long Tail). Durch diese Präzision werden Streuverluste reduziert und eine optimale Reichweite garantiert.


Kennenlernen der Zielgruppe

Durch die feinen Platzierungsmöglichkeiten und die Bündelung relevanter Themenumfelder ist eine exakte Analyse des Kampagnenverlaufs möglich. Der Werbetreibende erhält in regelmäßigen Abständen ein Reporting das zeigt, welche Themen, Kategorien und Umfelder besonders gut funktionieren. Natürlich wird auf Grundlage dieser Zwischenwerte die Kampagnensteuerung laufend optimiert. Der große Mehrwert für den Gebrauch des semantischen Targetings liegt darin, dass man seine Zielgruppe durch diese Berichte besser kennenlernt. Der Werbetreibende bekommt so die Information, auf welchen Portalen sich potentielle Neukunden aufhalten und wie die optimale Ansprache aussieht.

Aufgrund dieser Schlussfolgerungen lassen sich zum einen Veränderungen bereits während eines Kampagnenverlaufs vornehmen. Diese können gegebenenfalls optimiert werden, indem schlecht performende Themenkategorien gestrichen werden. Zum anderen können die gewonnenen Daten über Zielgruppen für künftige Kampagnen verwendet werden, um diese besser und effektiver zu planen und Kampagnenerfolge langfristig zu sichern.


Markenschutz

Da die semantische Targeting-Technologie nicht nur nach Keywords sucht, sondern den gesamten Text einer Webpage analysiert, geht der Werbetreibende negativen Platzierungen aus dem Weg. So wird dem Ansehen einer Marke nicht geschadet. Kritische Umfelder werden nämlich in Sekundenbruchteilen identifiziert und sofort für die Werbeauslieferung blockiert.

So verhindert das semantische Targeting Werbeschaltungen auf Webpages, auf denen es um Alkohol, Drogen, Tabak, Sex, Nacktheit, Waffen, Gewalt oder extreme Ansichten geht. Auch Schaltungen im thematischen Umfeld von Glücksspiel und Peer-to-Peer lassen sich ausschließen. Die Werbung eines Musiklabels im Umfeld eines Artikels über Musiktauschbörsen wird so vermieden – oder, falls es das Ziel der Kampagne ist, natürlich auch konkret ausgewählt. Somit kann der Werbetreibende sich sicher sein, dass es keine markenschädigenden Schaltungen geben kann.


Literatur

Crystal, David: Semantic targeting: past, present, and future. – In: Aslib Proceedings, 62 (4/5): S. 355-365, Bangor, 2010.
http://www.bvdw.org/media/download/bvdw--was-ist-targeting-dmexco-20090923.pdf?file=752 – Präsentation der Unit Targeting vom BVDW von der dmexco 2009
http://david-crystal.blogspot.com/ – Blog von David Crystal
http://www.zeit.de/digital/internet/2010-03/semantic-targeting-david-crystal – Interview mit David Crystal aus der Zeit.